Wien - Nach den dramatischen Verlusten der ÖVP bei der gestrigen Wahl beginnt nun die Suche nach den Gründen für das Wahldesaster. Der Nationalratsabgeordnete und Raiffeisen-Generalsekretär Ferdinand "Ferry" Maier plädierte dafür, dass die Konservativen keine Koalition eingehen: "Man sollte mit einer neuen Oppositionspolitik und neuen Themen versuchen, Profil und Kanten zu gewinnen", lautete sein Vorschlag.
Das schlechte Abschneiden der Partei bei der gestrigen Wahl begründete er mit der falschen Taktik: "Frau Marek wurde Opfer der Vereinigung hilfloser Wahlkampfmanager." Statt sich auf die Stärken der Spitzenkandidatin zu besinnen, die in den Bereichen Familie und Wirtschaft liegen, sei ein "Law-and-Order-Wahlkampf" geführt worden. An Mareks Position als Landesparteiobfrau sei "nicht zu rütteln": Maier war im Vorjahr als möglicher Nachfolger für Johannes Hahn im Gespräch, zog seine Kandidatur aber zurück.
Görg: "Oppositionsrolle liegt der ÖVP nicht"
Als "völlig chancenlos" bezeichnete Ex-Landesparteiobmann Bernhard Görg im APA-Gespräch die Situation der Volkspartei in Wien. Für die Schwarzen gebe es ein quasi unlösbares Grundproblem: In der Bundeshauptstadt seien sie in der Opposition, im Bund in der Regierung - das sei eine "Doppelmühle".
Die Oppositionsrolle liege der ÖVP nicht - das sei nicht "in den Genen", verdeutlichte Görg. In den vergangenen 20 Jahren hätten genau zwei Themen in Wien gezogen, weiß der ehemalige Politiker: das Ausländerthema, welches der Volkspartei nicht liege, und der Kampf gegen Schwarz-Blau. In so einer Situation helfe auch kein besserer Wahlkampf und kein Spitzenkandidat: "Jeder andere, der kandidiert hätte, hätte kein besseres Ergebnis erreicht", ist er überzeugt und hofft, dass die ÖVP nun keinen Personaldiskussion führen wird. Görg war von 1992 bis 2002 Wiener Landesparteichef.
Pröll: "Es gibt viele unterschiedliche Meinungen"
Für ÖVP-Obmann Josef Pröll sind die großen Verluste seiner Partei bei den Wiener Gemeinderatswahlen keine nachhaltige Belastung für die Große Koalition auf Bundesebene. Auch im Jahr 2009, als die ÖVP bei Landtagswahlen große Erfolge eingefahren habe, sei die Regierungsarbeit dadurch nicht nachhaltig belastet worden, sagte er nach einer Sitzung der Parteispitze am Montagnachmittag. Ratschläge aus der eigenen Partei, in Wien in die Opposition zu gehen, kommentierte er vorerst nicht: "Es gibt viele unterschiedliche Meinungen."
Analysen und Beratungen zu den Konsequenzen des ÖVP-Misserfolgs würden erst folgen, meinte Pröll. Dasselbe sagte auch die Wiener Landesparteichefin Christine Marek beim Verlassen der Parteizentrale in der Lichtenfelsgasse. Zum Vorschlag des Abg. Ferdinand Maier, in die Opposition zu gehen, meinte Marek: "Wir werden das alles in den Gremien diskutieren."
Wirtschaftskammerpräsident Christoph Leitl zeigte nach der Sitzung klare Präferenz für eine rot-schwarze Koalition in der Bundeshauptstadt. "Ich bin für eine Zusammenarbeit der staatstragenden Parteien, daher werden sie wissen, wo meine Sympathie liegt", sagte er zu den wartenden Journalisten. JVP-Chef Sebastian Kurz deutete bereits erste Konsequenzen an: Man müsse nun die Wiener ÖVP "neu aufstellen", es müsse Reformen geben. Diese sollten allerdings unter der derzeitigen Parteichefin Marek stattfinden.
(APA)