Khaled Ibrahim war einmal Reisevermittler, jetzt hilft er seiner Frau Manar im Restaurant "El Pasha".

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In der Orient-Ecke kann man es sich bei orientalischer Lounge-Musik und Wasserpfeife gemütlich machen.

Foto: El Pasha

Der Artikel ist im Rahmen des Projektes "eurotours 2010 - Wie geht Europa mit Migration um?" entstanden. Facebook-Gruppe: Eurotours 2010

Foto: Eurotours 2010

Khaled Ibrahim sitzt im Restaurant "El Pasha", im mittelalterlichen Zentrum Tallinns, das er gemeinsam mit Gattin Manar Ahmed Ali führt, dabei war sein Einsatz im Restaurant anfangs gar nicht geplant.

Vom Boom zum Konkurs

Vor einem Jahr war er noch erfolgreicher Reiseveranstalter, sein Unternehmen "TopTours" der viertgrößte Reisevermittler in Estland, erzählt Khaled, der über mehr als zehnjährige Erfahrung als Reiseführer verfügt, in ausgezeichnetem Englisch. Er organisierte Reisen für zahlreiche sonnenhungrige Esten in wärmere Gefilde wie zum Beispiel nach Tunesien, Griechenland oder in die Türkei.

Mit der Aschewolke aus Island, die im heurigen Mai den gesamten Flugverkehr lahm legte, kam Khaleds florierendes Unternehmen aber in finanzielle Bedrängnis und hatte mit gestrandeten Touristen, Rückbeförderungskosten und vorgebuchten Reisedienstleistungen zu kämpfen. "TopTours" überlebte die Turbulenzen nicht. "Die Reisebranche ist eben ein riskantes Geschäft, vor allem wenn man als Einzelunternehmer mit Eigenkapital haftet und nicht in die Struktur der großen Touristikkonzerne eingebettet ist", stellt der ehemalige Reisevermittler nüchtern fest.

"Der fanatische Araber"

Ende Mai gab Khaled, nach vergeblichen Versuchen es doch noch zu schaffen, den Konkurs seines Unternehmens bekannt. In den Medien wurde der Konkurs seiner Firma immer wieder mit seiner arabischen Herkunft in Verbindung gebracht. Auf einmal wurde er vor allem als Araber, weniger als Unternehmer bezeichnet. Zum ersten Mal seit seiner Einwanderung nach Estland vor mehr als vier Jahren erlebte er rassistische Äußerungen und persönliche Attacken, berichtet Khaled.

"Dass ich mit meinem Geschäft mehrere Millionen estnische Kronen verdient und dementsprechend ins Steuersystem eingezahlt habe, und mehr als zwanzig estnische Mitarbeiter in meiner Zentrale beschäftigte, interessierte niemanden mehr. Plötzlich war ich der Araber mit dunkler Hautfarbe, einer, der die Leute betrügt, keine Geschäfte machen kann, und obendrein auch ein fanatischer Moslem ist ", berichtet Khaled über die Vorurteile.

Hilfe konnte sich der "Fremde" also nicht erwarten. Sein Vermieter, mit dem sich Khaled eigentlich prächtig verstand und der die Miete immer pünktlich erhielt, gewährte dem gescheiterten Geschäftsmann drei Tage, um aus den Büroräumlichkeiten auszuziehen. Khaled fällt es schwer über diese Zeit zu sprechen, der Konkurs seines Reiseunternehmens und die negative Berichterstattung belastete die ganze Familie.

Familienrestaurant

Doch das von seiner Frau Manar im März dieses Jahres, noch vor dem Trubel um den Konkurs, eröffnete Restaurant hat die Familie schnell wieder auf die Beine gebracht. Ursprünglich als Idee von Manar, die schon seit jeher gerne und gut kocht, und Zweitgeschäft gedacht, sorgt das "El Pasha" nun für den Lebensunterhalt der Familie. Khaled freut die Zusammenarbeit mit Frau und Kindern sehr.

"Hier habe ich meine Familie mit an Bord, das sind jetzt meine Geschäftspartner", stellt er zufrieden fest. Seine Tochter Aya, die an der Universität Tallinn Internationale Beziehungen studiert, hilft ab und zu als Servicekraft mit. Gattin Manar ist Chefköchin und eine große Stütze für Khaled.. "Sie war und ist mir eine große Hilfe, wir lieben und unterstützen uns weiterhin, das ist das Wichtigste."

Religion als Privatsache

Khaled ist nicht streng religiös, das Ehepaar gehört keiner religiösen Vereinigung an. Seine Frau trägt ein sehr leger im Nacken gebundenes Kopftuch, Tochter Aya trägt keines. Gebetet wird in den eigenen vier Wänden. Khaled will sich von der kleinen islamischen Gemeinde in Tallinn, die vor allem aus tatarischen Moslems aus der ehemaligen Sowjetunion und in letzter Zeit auch aus saudi-arabischen Imamen besteht, fernhalten: "Seit der Firmenpleite gehe ich Problemen möglichst aus dem Weg."

Shisha, Lounge und Bauchtanz

Da er nicht streng religiös ist, wird in der Lounge mit gut sortierter Bar, die sich im Obergeschoß des Restaurants befindet, auch Alkohol ausgeschenkt. An manchen Abenden motiviert ein DJ in der Lounge mit einem Mix aus orientalischen und modernen Klängen zum Tanzen. In der geräumigen orientalischen Ecke kann man Shisha, also Wasserpfeife, rauchen. Bauchtanz-Abende gibt es ebenfalls im "El-Pasha".

Namensgeber des Restaurants ist übrigens der ägyptische Pascha Muhammad Ali, der in den 1820er Jahren die Industrialisierung und Modernisierung Ägyptens vorantrieb. "Er hat das moderne Ägypten begründet", weiß Khaled stolz zu berichten. Daher sind neben Gemälden von lasziven Bauchtänzerinnen auch Portraits des Paschas im Restaurant zu finden.

"El Pasha" ist übrigens das einzige ägyptische Restaurant in Tallinn. Landsleuten aus Ägypten ist Khaled noch nicht begegnet. Dementsprechend findet das Restaurant mit der orientalischen, aber nicht überladenen Inneneinrichtung und den ägyptischen Speisen wie zum Beispiel "Koshary", dem Nationalgericht aus Ägypten, mit Nudeln, Reis und Linsen, großen Anklang bei der einheimischen Bevölkerung: "Unsere Gäste bedanken sich bei uns dafür, dass sie für einen Moment vergessen können in Estland zu sein", so Khaled. (Güler Alkan, 12. Oktober 2010, daStandard.at)