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Alexander Gerhardinger sieht sich für die Masse zuständig: "Wir sind der McDonald's unter den Bordellen."

Alexander Gerhardinger: "Pufferzone. Wie man ein Bordell betreibt." edition a, 19.90 Euro.

Foto: Verlag edition a

...und puff! Das durch die Saunaclub-Affäre bekannte "Goldentime" sonnt sich auch in unruhigen Zeiten im Sex-Boom. Oder erst recht. "Am Wahl-Sonntag war es noch ruhig, aber diese Woche wird sich einiges tun." Wenn Alexander Gerhardinger, nach Eigendefinition Bordellbetreiber und Buchautor, zur Pressekonferenz ruft, ist der Saal gerammelt voll. Der promovierte Betriebswirt zelebriert mit seinem Erstlingswerk "Pufferzone - Wie man ein Bordell betreibt" seine neuen Seiten als Autor, gibt Tipps für Einsteiger ins "Milieu" und versucht mit Klischees aufzuräumen, indem er geradlinig durch das horizontale Gewerbe führt.

Gerhardinger kennt sich aus am Großmarkt der Liebe. Vier Jahre Gymnasium bei den Jesuiten hätten ihm die Augen geöffnet.  Priester lernte er als "offen denkende Freigeister" kennen, und als sein Interesse für Mädchen und Wirtschaft steigt, wechselt er - nichts ist scheinbar naheliegender und geht ihm leichter über die Lippen - in die Handelsakademie. Nach einem bunten beruflichen Werdegang mit Zwischenstopps beim Stahlkonzern voestalpine und als Croupier bei den Casinos Austria erleidet er beim Versuch, in Italien ein Kino zu eröffnen, Schiffbruch. Und meldet Privat-Konkurs an.

Lang hält der gebürtige Linzer nicht still. Gerhardinger rückblickend: "Ich wollte in möglichst wenig Zeit möglichst viel Geld verdienen." Und wie so oft im Leben spielt ihm der Zufall in die Hände. Er bekommt den Zuschlag für das "Goldentime". Seither kämpft er gegen das schmuddelige Image der "Szene". "Meine Mutter glaubt bis heute, dass wir die Frauen im Keller angekettet haben." Er schmunzelt. Ein Saunaclub sei eben ein Saunaclub und - Hand aufs Herz - kein Bordell. Der Unterschied? Die Bettenfachkraft im "Goldentime" ist freie Unternehmerin, einen Zuhälter gibt es nicht. "Die Mädchen zahlen 60 Euro Eintritt und bieten ihren speziellen Service an." Wie viel dabei in ihre Taschen fließe, wisse er nicht. "Spitzenmädchen bringen es schätzungsweise auf 5.000 bis 15.000 Euro im Monat. Der Einkommenssteuersatz ist gedeckelt und liegt in Wien bei 250 Euro." Leichtes Geld? Gerhardinger verneint. "Die Mädchen arbeiten etwa 20 Tage pro Monat. Von 11 Uhr vormittags bis 4 Uhr morgens haben wir geöffnet." Anwerben dürfe er aber keines: "Akquisition wäre Anstiftung zur Prostitution und ist in Österreich strafbar." Mundpropaganda und Inserate in einschlägigen deutschen Fachzeitschriften sorgten demnach für den entsprechenden Zulauf.

Beten nach dem Akt

Die Kundschaft ist so vielschichtig wie das Gewerbe selbst. "Die Männer kommen aus allen Schichten, vom Arbeiter bis zum Manager." Hier holen ihn die Jugendjahre wieder ein, denn der Kreis schließt sich auf wundersame Weise: An Geistlichen fehle es nicht. "Sehr angenehme Menschen", plaudert Gerhardinger aus dem Nähkästchen. So lässt einer der Padres am Südtiroler Standbein des "Goldentime" monatlich 3.000 bis 4.000 Euro. "Entweder der Bursche zweigte einen Haufen Geld aus dem Klingelbeutel ab, oder er verfügte über ein ererbtes Privatvermögen." Nicht weniger bizarr ein Beispiel aus Wien: "Wir haben einen, der kniet sich nach dem Akt mit seiner Gespielin vors Bett und betet. Anschließend erteilt er die Absolution." Ob die Dame wisse, was hier abgehe, lässt er offen. Aber: "Ich bin sehr bemüht, dass die Mädchen deutsch oder zumindest englisch sprechen." Denn stattliche 30 Prozent der Männer kämen wegen des Redens und nicht zum Sex. Das stößt nicht immer auf Gegenliebe. "Fuck my body, not my mind", zitiert Gerhardinger eine erboste Russin.

An Kundenandrang mangelt es jedenfalls nicht. Wie viele es sind, lässt Gerhardinger offen. Nur: "Ich sehe mich als McDonald's unter den Bordellen. Wir sind für die Massen zuständig." Und nicht nur für die. Für "aus Film, Fernsehen und Rundfunk" bekannte Prominenz soll demnächst umgebaut werden. Ein diskreter Hintereingang sowie ein VIP-Bereich sollen her. "Im Bademantel erkennt man sie ohnehin kaum, aber nach außen hin gilt Diskretion."

Die stillste Zeit des Jahres ist für Bordellbesucher die lebendigste - in der Vorweihnachtszeit läuft das Geschäft am besten. Ärztekongresse garantierten auch eine hohe Frequenz. Gerhardinger: "Die Wahl der Kongress-Stadt geht Hand in Hand mit der Anzahl der Bordelle." Wien kennt man eben nicht nur wegen des Riesenrades.

Ehrenkodex

Schusswaffen in seiner Schreibtischlade lassen keinen Zweifel - das Milieu ist immer noch gefährlich. Unmittelbare Angst hat er dennoch nicht. Gerhardinger: "Man stumpft mit der Zeit ab." Und: Irgendwie könne er auch Schutzgeldern etwas Positives abgewinnen. "In der Unterwelt gilt ein Ehrenkodex. Man zahlt und hat seine Ruhe. Geredet wird erstmal am grünen Tisch. Geschossen wird nicht so schnell." Für Neueinsteiger gilt also: Ruhig Blut und das nötige Kleingeld. Gerhardinger: "Eine Eigenkapitalquote von 30 bis 40 Prozent würde ich schon empfehlen. Mich selbst werden die Bankzinsen noch einige Zeit verfolgen." So wie möglicherweise auch der einst angekündigte Börsegang, denn drei Jahre und eine Finanzkrise später ist  dieser ausgeträumt. "Ein IPO wäre zu kompliziert, zu kostenintensiv gewesen", so der Unternehmer zu derStandard.at. "Die Nachfrage war allerdings enorm." Kein Wunder, wäre ein börsenotiertes Bordell doch eine Europa-Premiere gewesen. Dafür sucht er immer noch nach Franchise-Partnern. "Es scheitert bislang an der Standortfrage. Wer geht schon in ein Bordell in einer unattraktiven Gegend?"

Was er tun würde, wäre er Wiens Bürgermeister? "Weniger saufen", so Gerhardinger, "und das Konzept des Saunaclubs forcieren, um den kriminellen Straßenstrich einzudämmen." (Sigrid Schamall)