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Premierminister David Cameron (li.) und Finanzminister George Osborne präsentieren ein Budget der Grausamkeiten.

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Der britische Premier David Cameron präsentierte ein brutales Sparpaket: 490.000 Jobs im öffentlichen Dienst fallen weg, die Etats fast aller Ministerien schrumpfen radikal, selbst die Queen hat es erwischt.

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London - Weniger Polizisten und Soldaten, weniger Geld für Universitäten und Diplomaten, Erhöhung des Rentenalters, Kürzung des Kindergeldes - mit tiefen Einschnitten in die öffentlichen Haushalte will die britische Koalitionsregierung das Haushalts-Defizit um zehn Prozent binnen vier Jahren senken. Das Land habe im Frühjahr kurz vor dem Bankrott gestanden, sagte Finanzminister George Osborne am Mittwoch im Unterhaus: "Jetzt begeben wir uns auf den schwierigen Weg, der zu einer besseren Zukunft führt."

Die gestern veröffentlichten Ausgabenpläne für die kommenden vier Budgetjahre setzen einen Schlusspunkt unter monatelange zähe Verhandlungen zwischen dem Finanzministerium und den betroffenen Fach-Ressorts. Deren durchschnittliche Einsparungen über die Legislaturperiode würden 19 Prozent betragen, sagte Osborne und wies darauf hin, dass sein Labour-Vorgänger Alistair Darling von 20 Prozent Kürzungen gesprochen hatte. "Nur mit reformiertem Wohlfahrtsstaat und soliden Staatsfinanzen kann Großbritannien wieder stark werden."

Osborne sprach in seiner gut einstündigen Rede von einer Balance zwischen notwendigen Einsparungen und Investitionen für die Zukunft. So bleibt das Bildungsressort weitgehend unangetastet. Auch das Gesundheitswesen bleibt von Kürzungen verschont. Bei der Entwicklungshilfe will Großbritannien das UN-Ziel von 0,7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts erreichen, wobei sämtliche Hilfsprojekte in China und Russland gestrichen werden. Hingegen können Streitkräfte (minus acht Prozent) und Polizei (minus 16 Prozent) deutlich weniger Geld ausgeben als bisher.

Uni-Zuschüsse sinken

Der Forschungsetat wird eingefroren, was einer Inflations-bereinigten Kürzung um acht Prozent gleichkommt. Die Zuschüsse der Universitäten sinken um rund 25 Prozent. Als besonders sparwillig erwies sich das Kulturministerium: Das auch für Sport und Medien zuständige Haus soll bis 2015 insgesamt 41 Prozent weniger ausgeben als heute.

Wegen seines aufgeblähten Finanz-Sektors hat Großbritannien im Vergleich zu anderen großen Industrienationen besonders schwer unter der globalen Wirtschaftskrise gelitten. Die Insel hat das höchste Defizit unter den G20-Nationen, obwohl die Gesamtverschuldung deutlich hinter Deutschland und Frankreich zurückbleibt. Im Wahlkampf hatten alle Parteien die härtesten Einsparungen seit Ende des Zweiten Weltkrieges angekündigt.

Osborne bekräftigte seine Pläne zur Erhöhung der Mehrwertsteuer und zur Kürzung des Kindergeldes für Steuerzahler mit Jahreseinkommen über 44. 000 Pfund (knapp 50.000 Euro). "Die Besserverdienenden müssen am meisten beitragen", sagte der Finanzminister und sprach von der notwendigen Fairness. Dazu gehöre auch die Bankenabgabe, von der sich das Finanzamt zusätzliche Einnahmen von rund 3,5 Milliarden Pfund pro Jahr erhofft.

Die Gelder für Kommunen werden um sieben Prozent gekürzt. Sozialleistungen, darunter Kindergeld und Mietzuschüsse, werden um 18 Milliarden Pfund gekappt.

Ferner wird der Pensionsantritt mit 66 um sechs Jahre auf 2020 vorgezogen, was dem Staat eine Ersparnis von fünf Milliarden Pfund bringt. Pendler sind von drei Prozent höheren Ticketpreisen betroffen. Und selbst die Queen wird nicht verschont: Die Civil List, das Budget des Königshauses, wird 2012 einmalig um 14 Prozent gekürzt und danach anders berechnet.

Oppositionsführer Edward Miliband warnte vor höherer Arbeitslosigkeit und beschuldigte die Regierung, sie setze die konjunkturelle Erholung aufs Spiel. Laut dem Wirtschaftsprognose-Institut OBR gehen im öffentlichen Sektor in den kommenden Jahren 490.000 Arbeitsplätze verloren.

Premier David Cameron machte die frühere Labour-Regierung für die harten Maßnahmen verantwortlich: "Die beiden Koalitionsparteien müssen mutige Schritte gehen, um mit der Hinterlassenschaft von Labour aufzuräumen." (Sebastian Borger aus London, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 21.10.2010)