Im Kampf gegen die Drogenmafia werden in Mexiko offenbar paramilitärische Todesschwadronen eingesetzt. Wie die Zeitung El Universal berichtete, hat der Senat wegen immer deutlicher werdender Hinweise den Geheimdienst zu einer Stellungnahme zu dem Thema aufgefordert, hat jedoch bisher keine Antwort erhalten. Der Senat vermutet, dass ein Großteil der 28.000 Toten und eine hohe Zahl Verschwundener im Drogenkrieg auf das Konto der Todesschwadronen gehen könnte.
"Diese Gruppen agieren in der Grauzone und mit Billigung des Staates", sagte der Initiator der Petition, der linke Politiker und Ex-Gouverneur Ricardo Monreal. Nach Ansicht der Senatoren gehören hunderte bei Säuberungsaktionen entlassene ehemalige Soldaten und Polizisten diesen Killerkommandos an, die sich sowohl von Politikern als auch von Unternehmern anheuern lassen.
Erste Verdachtsmomente kamen vor einem Jahr auf. Damals verkündete Mauricio Fernández, Bürgermeister der nordmexikanischen Gemeinde San Pedro Garza Garcia - der reichsten Mexikos - bei seinem Amtsantritt den Tod eines gefürchteten Erpressers und Drogenbosses. Es war ein Scoop, der von den örtlichen Unternehmern mit großer Erleichterung aufgenommen wurde - die Generalstaatsanwaltschaft bestätigte ihn aber erst mehrere Stunden später. Fernández versprach damals, eine speziellen Stoßtruppe zu bilden, um besonders gefährliche Verbrecher zu verfolgen.
Der Einsatz von Sonderkommandos ist laut Monreal eine Realität in Mexiko. "Die meisten Gouverneure haben solche Todesschwadronen. Und die Unternehmer greifen wegen der steigenden Zahl von Entführungen, Erpressungen und Morden ebenfalls auf sie zurück." Monreal zufolge sind die Gruppen besonders aktiv in den Bundesstaaten Jalisco, Nuevo Leon, Coahuila und Tamaulipas.
2000 Beweise gesammelt
Menschenrechtsorganisationen dokumentieren die Umtriebe paramilitärischer Gruppen seit Jahren. In den Bundesstaaten Sinaloa und Baja California hat Bürgerrechtler Miguel Angel Garcia in mehr als 2000 Fällen Beweise dafür gesammelt, dass die mexikanischen Todesschwadronen ähnlich der kolumbianischen Vorbilder mit staatlichen Hoheitszeichen und staatlicher Ausrüstung agieren. Bislang sei jedoch kein Gericht den Hinweisen der Organisationen gefolgt, was Garcia auf staatliche Komplizenschaft und Korruption in der Justiz zurückführt. "Wir wissen nicht, wer hinter diesen Todesschwadronen steckt, und niemand hat Interesse, dies zu ermitteln", sagt die Vorsitzende der Bürgerfront von Sinaloa, Mercedes Murillo.
Die mexikanische Justiz landete unlängst beim internationalen Rechtsstaatsvergleich der Organisation World Justice Project auf dem vorletzten Platz. Demnach enden im Schnitt nur sechs Prozent der Straftaten mit einer Verurteilung. Morde im Drogenkrieg werden praktisch niemals aufgeklärt. Meist schreiben die Ermittler die Taten zwar einem bestimmten Kartell zu, doch in der Regel bleiben Täter und Tathintergründe im Dunkeln.
Kolumnist Roberto Zamarripa warnt in der Zeitung Reforma: "In Kolumbien entstanden die Todesschwadronen als Selbstverteidigungsgruppen gegen die Guerilla. Nachdem sie ein bestimmtes Gebiet gesäubert hatten und kontrollierten, begannen sie, ins Drogengeschäft einzusteigen und endeten damit, Politik zu machen."
Marihuana-Rekordfund
Dienstagnacht wurde bekannt, dass die am Montag in Nordmexiko beschlagnahmte Drogenmenge noch um 29 Tonnen größer ist als ursprünglich angenommen: 134 Tonnen Marihuana wurden nach Angaben des Polizeichefs von Tijuana, Gustavo Huerta, sichergestellt - das ist Landesrekord. Huerta bekommt eine neue Kollegin: Kriminalistikstudentin Marisol Valles García wird in der nordmexikanischen Stadt Guadalupe Polizeichefin. Nach Medienberichten war die 20-Jährige als einzige bereit, den vakanten Posten in der von Drogenkartellen bedrohten Stadt zu übernehmen. (Sandra Weiss aus Puebla/DER STANDARD, Printausgabe, 21.10.2010)