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Rückenschmerzen kommen der Gesellschaft teuer zu stehen.

Wien - Kreuzschmerzen und andere chronische Schmerzen betreffen einen großen Teil der Gesellschaft. Sie verschlechtern Lebensqualität und Einsatzfähigkeit der Betroffenen und rufen damit immense Kosten hervor. Erkannt wird das Problem jedoch noch kaum, was die volkswirtschaftliche Belastung zusätzlich erhöht. Das betonen Experten anlässlich der europäischen und nationalen Schmerzwochen am heutigen Mittwoch.

Verkanntes Gesundheitsproblem

"Chronische Schmerzen sind heute ein zentrales Gesundheitsproblem. Sie sind eigenständige Erkrankungen, werden bisher jedoch meist nur als Symptome anderer Krankheiten gesehen. Deshalb sind auch seine ökonomischen Folgen noch kaum bewusst", erklärt Hans Georg Kress, Präsident der Europäischen Schmerzgesellschaft EFIC.

Jeder vierte Europäer leidet heute an Schmerzen, jeder zwanzigste an starken. "Betroffen sind vor allem Muskel, Gelenke, Nacken und Rücken. Besonders im mittleren und hohem Alter behindert der Schmerz tägliche Aktivitäten wie etwa Arbeit und Freizeit", so der Wiener Anästhesist. Problematisch sind besonders die Schmerzen, die nach ihrem akuten Auftreten nicht wieder abklingen. Zwei Drittel dieser davon gehen auf die Kappe von Problemen des Bewegungsapparates, allen voran des Kreuzschmerzes, wie englische Untersuchungen zeigen.

Immense verdeckte Kosten

Nicht nur für die Patienten, sondern auch für die gesamte Volkswirtschaft stellen Schmerzen eine ungeheure Belastung dar. Die Behandlungskosten allein für Rückenschmerzen liegen im dreistelligen Millionenbereich, die indirekten Kosten sind jedoch um ein Vielfaches höher. Dazu gehören nicht nur Fehlzeiten und Produktivitätsausfall, sondern auch etwa ineffektive Behandlungen, falsche Selbstmedikation, Nebenwirkungen, Krankenpflege und sinkende Lebensqualität.

Englischen Zahlen zufolge liegen die indirekten Kosten für Rückenschmerzen noch vor jenen für Alzheimer und Herz-Kreislauf-Erkrankungen. In Deutschland schätzt man die Gesamtkosten auf 50 Mrd. Euro pro Jahr - was über zwei Prozent des BIP ausmacht. US-Daten aus dem Jahr 2000 zeigen, dass ein Patient mit Rückenschmerzen rund dreimal mehr kostet als Menschen ohne Rückenschmerzen - jährlich rund 17.000 Dollar.

Neue Ansätze erforderlich

Die Last durch Kosten und Beeinträchtigungen könnte deutlich verringert werden, wenn die Politik das Problem als solches erkennt und langfristig denkt, so das Credo der Experten. Zu den nötigen Verbesserungen zählt Kress etwa interdisziplinäre Ansätze. "Etwa Psychologen sind in der Schmerztherapie noch kaum eingebunden", so der Mediziner. Zudem haben Innovationen am Schmerzsektor einen schweren Stand. "Die Gesundheitspolitik hält sie oft bewusst zurück, da man hier den geringsten Widerstand vermutet."

Derartige vielversprechende Innovationen in der Schmerzmedizin gibt es für Kress mehrere. "Dazu gehört etwa das Analgetikum Tapentadol, der zugleich Agonist und selektiver Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer ist, oder diverse Behandlungen der Durchbruchschmerzen wie etwa Nasensprays und Bucaltabletten mit Fentanyl. Vielerorts halten auch Reinsubstanzen aus der Cannabis-Pflanze den Einzug", so der Experte.

Neue Optionen bieten zudem die stochastische Resonanztherapie oder die transkranielle Magnetstimulation, und auch die Komplementärmedizin kann zahlreiche Erfolge vorweisen. Die Evidenzbasierung steht hier allerdings in vielen Bereichen noch aus. (pte)