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Foto: APA/Thermalquelle Loipersdorf GmbH

 

Die Regierung Faymann-Pröll hat mit ihrer Budgeteinigung die besonders niedrigen Erwartungen an ihre Reform- und Lösungskompetenz übertroffen – aber nicht um sehr viel.

Das Paket, das am Wochenende in Loipersdorf geschnürt wurde, ist ein echter großkoalitionärer Kompromiss. An allen Ecken und Enden wird ein wenig ins Fett oder auch Fleisch geschnitten, sodass die Schmerzen weit verbreitet, aber für niemanden unerträglich sind. Gleichzeitig werden neue Mittel freigemacht für jene Bereiche, die es am dringendsten brauchen, vor allem bei der Bildung.

Und an einigen Punkten werden sogar kleine strukturelle Reformen durchgesetzt. Aber die großen Probleme bleiben unangetastet. Das gilt vor allem für das kaum noch finanzierbare Pensionssystem.

Was auffällt, ist die soziale und politische Ausgewogenheit. Ein moderater Abbau von Sozialleistungen bei der Familienförderung, Pensionen und der Pflege steht einer ebenfalls moderaten Belastung von Vermögen und Finanzinstitutionen gegenüber. Weder SPÖ noch ÖVP können sich als Sieger fühlen.  

Das Wasser, in das die Bürger nach diesem Wochenende springen müssen, ist zwar nicht so wohlig wie das Thermenwasser von Loipersdorf (im Bild), aber auch nicht wirklich kalt – ein lauwarmer Kompromiss.

Wie lassen sich die einzelnen Maßnahmen auf den ersten Blick beurteilen?

Auf die Bankenabgabe haben sich Österreichs Kreditinstitute schon eingestellt. Dass sie nun unbefristet kommt, ist eine böse Überraschung für die Banker. Aber was ist im Steuerrecht schon für die Ewigkeit gemacht! Dass Spareinlagen und Eigenkapital von der Abgabe ausgenommen sind, erleichtert die Sache wieder, stellt aber die geplanten Einnahmen von 500 Millionen Euro in Frage.

Die Abschaffung der Kreditvertragsgebühr ist für Banken und Kreditnehmer ein angenehmes Gegengeschäft, das den Fiskus 150 Millionen Euro kosten wird. Es ist auch eine längst überfällige Strukturbereinigung, die die lahmende Kreditvergabe etwas ankurbeln könnte.

Die Einführung einer 25-prozentigen Vermögenszuwachssteuer auf Aktiengewinne – die Wertpapier-Kapitalertragssteuer als Gegenstück zur KeSt auf Zinseinnahmen – ist äußerst sinnvoll. Gut, dass sich hier die SPÖ durchgesetzt hat. Offen ist nur, ob sie wirklich administrierbar ist. Vor einem Jahrzehnt wurde eine solche Abgabe bereits vom Verfassungsgerichtshof gekippt, weil sie den Banken zu viel Verwaltungsaufwand aufgehalst hätte. Aber inzwischen hat sich die Möglichkeit der Erfassung von Kundengeschäften weiterentwickelt.

Erleichtert werden viele reagieren, dass keine neue Börsenumsatzsteuer kommt, die nicht viel bringt aber der Börse viel mehr schadet.

Die Erhöhung der Zwischensteuer für Stiftungen von 12,5 auf 25 Prozent – also dem kompletten Kapitalertragssteuersatz – bedeutet die Abschaffung einer der letzten steuerlichen Vorteile von Stiftungen, nämlich der steuerlichen Stundung.

Dem steht immer noch die Stiftungseingangssteuer gegenüber, die allerdings nun vom Verfassungsgerichtshof geprüft wird. Offenbar rechnet die Regierung bereits damit, dass der VfGH die Steuer kippt, weil sie die Immobilien besser behandelt als andere Vermögenswerte, und hat damit bereits den Ersatz geschaffen. Stiftungen werden deshalb nicht aus Österreich fliehen, und zu hoffen ist, dass damit die Debatte über Stiftungsprivilegien aufhört.

Die Erhöhung der Mineralölsteuer um vier bzw. fünf Cent pro Liter fällt recht moderat aus, wenn man bedenkt, dass Tanken in Österreich damit immer noch billiger ist als in den Nachbarländern. Dass ganz dezidiert damit der Tanktourismus am Leben erhalten werden soll, ist klimapolitische Trittbrettfahrerei und angesichts der miserablen CO2-Bilanz des Landes ein Wahnsinn.

Aber zumindest wird ein kleiner Schritt in Richtung Ökologisierung des Steuersystems – auch dank der Erhöhung der Normverbrauchsabgabe (NOVA) - getan.

Warum deshalb schon wieder das Pendlerpauschale erhöht werden muss, ist unverständlich. Die letzte Erhöhung kam 2008, als der Sprit wegen des hohen Ölpreises viel teurer war als heute, doch gesenkt wurde das Pauschale auch dann nicht, als der Ölpreis in den Keller viel. Das ist billiger und umweltschädigender Populismus, der zum Glück nur 15 Millionen Euro im Jahr kostet.

Lobenswert ist im ökologischen Sinn die Einführung einer  Flugticketabgabe, deren Umsetzung allerdings – ebenso wie in Deutschland – noch nicht gesichert ist. Dies ist auch deshalb gerecht, weil auf Flugtickets keine Mehrwertsteuer eingehoben wird. AUA und Niki werden sie jedenfalls verkraften.

Dass bei der Familienförderung gespart wird, ist weniger hartherzig als es vielleicht scheint. Die 13. Familienbeihilfe wurde ja erst vor zwei Jahren als Ausgleich für die damals besonders hohe Inflation eingeführt. Dass man sie jetzt, bei stabilen Preisen, nicht komplett abgeschafft hat, zeigt, wie schnell neue Geldgeschenke zu wohl erworbenen Rechten werden. Aber zumindest wird es im Betrag und Alter gekappt.

Wenn dafür tatsächlich mehr Mittel in die Schaffung von Kinderbetreuungsplätzen gesteckt wird, dann nützt das den Eltern viel mehr – und könnte sogar zu Steigerung der Geburtenrate beitragen.

Die neue Begrenzung der Familienbeihilfe bis zum 24. Lebensjahr des Kindes belastet zwar Studierende, die später begonnen haben oder länger studieren. Aber das ist vertretbar, wenn im Gegenzug die Universitäten mehr Geld erhalten. Niemand wird sein Studium im 12. Semester abbrechen, weil die Eltern keinen Zuschuss mehr erhalten. Und wer es tut, hat ohnehin nie ernsthaft studiert. Und auch die Beihilfe für nicht-arbeitende Kinder über 18 war ein Zuschuss ohne sozialpolitischen Sinn.

Ebenfalls verzichtbar ist der Mehrkinderzuschlag ab dem 3. Kind – Anreiz für mehr Kinder wurde damit nicht geboten – und völlig richtig ist es, den Alleinverdienerabsetzbetrag für Familien ohne Kinder zu streichen.

Die schärferen Beschränkungen beim Pflegegeld sind auf den ersten Blick weniger verständlich, wenn man bedenkt, dass diese Zahlungen seit Jahren nicht an die Inflation angepasst wurden. Allerdings dürfte es hier doch bei leichten Pflegefällen eine Menge von Missbrauch geben, die damit eingedämmt werden sollen.

Enttäuschend ist das Maßnahmenpaket bei den Pensionen. Dass bei den Hacklerpensionen nicht einmal der Zustand vor 2008 – also kein Zukauf von Schul- und Unizeiten wieder hergestellt worden ist, ist unverständlich. Ob die Verteuerung dieses Zukaufs ausreicht, um den Andrang von Beamten und höheren Angestellten zu stoppen, bleibt offen.  Die erhofften Einsparungen bis 2013 (11,5 Millionen Euro) sind jedenfalls lächerlich gering.

Erst 2014 – leider viel zu spät – wird dieser sozialpolitischen Fehlkonstruktion in der Praxis hoffentlich der Garaus gemacht. Durch die Erhöhung des  Antrittsalters um zwei Jahre und einem Ende der Zukauf-Option wird sie deutlich weniger attraktiv. Hier hat die SPÖ zum Glück nachgegeben. Aber sinnvoll wäre nur die ersatzlose Abschaffung gewesen.

Belastet werden dafür alle neueintretenden Pensionisten durch die Wiedereinführung der Wartezeit für die erste Erhöhung. Das wäre ein absolut vertretbarer Beitrag der Älteren zur Budgetsanierung. Es ist bloß zu hoffen, dass er nicht durch einen höhere Pensionsanpassung wieder aufgesogen wird.

Ob die Invaliditätspensionen wirklich zurückgehen, wenn Rehab-Maßnahmen verstärkt werden, muss erst abgewartet werden. Vor allem könnte die Senkung des Abschlags für Invaliditätspensionen den gegenteiligen Effekt auslösen.

Zuletzt: Eine Erhöhung der Tabaksteuer ist immer vernünftig, weil dies zur Gesundheit beiträgt. Allerdings wird damit dem Zigarettenschmuggel aus Osteuropa Vorschub geleistet. Und dieser könnte die erhofften Einnahmen von 100 Millionen Euro im Jahr deutlich schmälern.

Dass alle beschlossenen Spar- und Steuermaßnahmen insgesamt etwas weniger bringen als geplant ist kein budgetpolitisches Unglück – aber nur, wenn die Konjunktur sich weiterhin so gut entwickelt.

Anders als in anderen EU-Staaten ist Österreichs Haushaltsdefizit in der Krise nicht explodiert und muss nun nicht mit so drastischen Maßnahmen zurückgeführt werden wie etwa in Großbritannien oder Spanien.

Allerdings wurde durch die vielen Kompromisse weniger Spielraum für offensive Maßnahmen geschaffen, als es möglich gewesen wäre. 80 Millionen Euro mehr für die Unis sind zu wenig. Und vor allem bei den Pensionen wurde die Chance auf echte Reformen wieder verschlafen.

Die beste Nachricht aus Loipersdorf ist vielleicht das Ja der SPÖ zu flächendeckenden Studieneingangsphasen, die in allen Fächern nach einiger Zeit Zugangsbeschränkungen ermöglichen werden. Wenn es schon keine Studiengebühren gibt, ist zumindest damit die Chance geschaffen, das Chaos an Österreichs Unis zu begrenzen.