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Die Staatsanwaltschaft Wien, der Mobilfunker T-Mobile, Vizekanzler Josef Pröll, Justizministerin Claudia Bandion-Ortner und Gudrun Höfner, Geschäftsführerin von IT-Works, sie alle haben am Montagabend im Wiener Rabenhof Theater den "Big-Brother-Award" bekommen. Mit diesem Preis werden Personen, Behörden, Institutionen und Unternehmen bedacht, die sich in "Big-Brother"-Manier wenig rühmlich mit persönlichen Daten beschäftigen. 

Die "Internetabsperrer"

Als "lebenslanges Ärgernis" haben sich die "Internetabsperrer" den Preis verdient, so die Veranstalter. Damit sind „Medien- und Unterhaltungsindustrie, sowie jene Politiker, die sich von dieser Lobby Vorteile für die Öffentlichkeitsarbeit versprechen" gemeint, die gegen eine freies Internet auftreten und bestimmte Websites sperren wollen.

Wenig Schmeichelhaftes gebe es laut den "Big-Brother-Awards"-Verleiher auch über T-Mobile zu berichten. „Monate nach den ersten Beschwerden über massenhaft versandte, betrügerische Mehrwert-SMS, die pro Stück mit fünf Euro vergebührt wurden, kassierte der Mobilnetzbetreiber immer noch dabei mit, anstatt die Betrüger aus dem Netz zu werfen, oder die Mehrwertdienste sofort zu deaktivieren", so die Jury.

„Datenabzapfung bei Langzeitarbeitslosen"

Die Firma IT-Works verdiente sich mit der „Datenabzapfung bei Langzeitarbeitslosen" einen Award.Das Unternehmen ist laut den Proponenten vom Arbeitsmarktservice (AMS) zur Vermittlung von Stellen beauftragt worden sei. Hier stößt man sich an der Datenerhebung: "Die 'gemeinnützige Arbeitskräfteüberlassung' bedeutet nämlich 'Leiharbeiterfirma', die Arbeitssuchenden werden - auf freiwilliger Basis - dazu 'motiviert', einen umfassenden Fragebogen auszufüllen, zum Zwecke schnellerer Arbeitsvermittlung. Gender- und diversitysensibel wird da abgefragt, ob die bisherigen Beschäftigungen einvernehmlich aufgelöst wurden oder nicht. Dazu kommt eine ganze Latte von Fragen nach persönlichen Problemen, wie es die Arbeitssuchenden mit Drogen, Alkohol, Spielsucht, oder Medikamentenkonsum halten - und nach schon getilgten Vorstrafen wird auch gefragt."

"Transparenzdatenbank"

Vizekanzler Josel Pröll kassierte eine Auszeichung für die sogenannte "Transparenzdatenbank" ."Transparente Bürger, intransparente Politik", stellten die Begutachter zu Pröll fest. Es werde "eine riesige, zentrale Datenbank errichtet, die bald über jeden Einwohner der Republik ein eigenes Finanzdossier enthalten wird. (...) Es ist die Sozialversicherungsnummer, die personenbezogene Vorgänge aus dem Familienleben, Alltag, Gesundheit und Beruf verknüpft. Derartige hoch integre, gut gepflegte und stets aktuelle Datensätze, die sämtliche Zahlungen Bürger-Staat und umgekehrt abbilden, aber werden unwiderstehliche Objekte der Begierde korrupter Bürokraten, Erpresser und anderem Gelichter sein." Die österreichischen Parteien würden über ihre Geldmittel von jährlich rund 300 Mio. Euro hingegen keine Auskunft geben, so die Begründung.

Die Staatsanwaltschaft Wien wurde ebenfalls ausgezeichnet, da sie „Amtshilfe für die Staatsanwaltschaft München leistete".  Auf ihre Anordnung „wurden zwei österreichische Journalisten, die für ein österreichisches Medium arbeiten als 'Beschuldigte' zur Einvernahme in das Landeskriminalamt Wien bestellt. Bloßes Zitieren aus den Gerichtsakten eines laufenden Verfahrens ist in Österreich legal und stellt keinen Straftatbestand wie in Deutschland da." 

Dieselbe Staatsanwaltschaft Wien ist zeitgleich durch einen eigenwilligen Umgang mit dem Terrorismusparagrafen aufgefallen, wegen zweier Mistkübelbrände wurde über vier Studierende eine mehrwöchige Untersuchungshaft verhängt. „Die solchem Ungeist eng verwandte Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt wendet den genannten Paragrafen 278a ('Kriminelle Organisation') hingegen vorzüglich auf Tierschutzaktivisten an. Was die Verfolgung von Journalisten angeht, so hat es den Niederösterreichern weniger der Printbereich, als vielmehr Video angetan. Gegen einen TV-Dokumentaristen (ORF) und zwei Skinheads wird gleichermaßen wegen nationalsozialistischer Wiederbetätigung ermittelt, Anlass dafür: Ein Zuruf von Hans Christian Strache. Die Staatsanwaltschaft reagierte prompt und ordnete die Beschlagnahme des gesamten Drehmaterials," so die "Big-Brother-Awards"-Veranstalter.

Volkswahl

Die Volkswahl entschied Justizministerin Claudia Bandion-Ortner klar für sich. Hier die Begründung: "Wie der Verlauf dieser Gala zeigt, haben sich die Ministerinnen und Minister der ÖVP im Jahr 2010 nachgerade um diese Preise angestellt. Trotz eines veritablen Kraftakts in letzter Minute - kleine Mädchen der Mutter wegnehmen und in Schubhaft stecken - hat es für Innenministerin Maria Fekter (V) heuer trotzdem nicht gereicht. Claudia Bandion-Ortner war in der Ungunst des Publikums heuer einfach nicht zu schlagen. Während die Gangster mit den weißen Kragen weiterhin frei herumlaufen, weil partout keine Anklage gelingen will, verhängte man unter ihrer Ägide als Justizministerin wegen eines brennenden Mistkübels zum Beispiel mehrwöchige Untersuchungshaft über vier jungen Menschen. Das sogenannte Terrorismuspräventionsgesetz hat nämlich zivilen Ungehorsam in prekäre Nähe zur schweren Kriminalität gerückt."

„Defensor Libertatis"

Den Positivpreis „Defensor Libertatis" bekam John Young. Der New Yorker Architekt hat seit 1996 auf seiner Website Cryptome.org 56.000 Dokumente angesammelt, „deren Verfügbarkeit Regierungen rund um die Welt ein steter Dorn im Auge ist." Wenn Meldungen über im Internet veröffentlichte Namenslisten von MI6 oder CIA-Agenten durch die Breitenmedien gingen, dann fanden sich diese Listen in Zeiten vor Wikileaks stets auf Cryptome, so die Veranstalter. (sum)