Die Debatten über den Irak - sowohl vor als auch nach dem nunmehr offiziell für beendet erklärten Krieg - haben vor allem eines gezeigt: Dass die Mächte dieser Welt nicht in der Lage waren, in der gleichen Sprache miteinander zu sprechen. Am dramatischsten war diese Unfähigkeit in den globalen UN-Institutionen zu beobachten.

Seit den Anfängen der Vereinten Nationen UNO war der Sicherheitsrat für die Sicherheit zuständig, und die Menschenrechtskommission versuchte, die Menschenrechte zu schützen. Im Fall Irak jedoch gelang es dem Sicherheitsrat nicht, sich über den Stellenwert der Sicherheit und die Rolle der UNO einig zu werden (und ist es anscheinend noch immer nicht) - und der Menschenrechtskommission ging es ihrem "eigentlichen" Thema ähnlich.

Gibt es einen Weg, eine gemeinsame Sprache zu finden, die uns aus dieser Sackgasse herausführen kann? Ich denke ja - vorausgesetzt, dass wir bei künftigen Konfliktsituationen den Zusammenhang zwischen Fragen der Sicherheit und der Menschenrechte entscheidend vertiefen können.

Doppelte Pattsituation

Bei der Debatte im Sicherheitsrat ging es um Massenvernichtungswaffen - eine klassische Frage der Sicherheit und dem Rat seit seinen Anfängen nur allzu bekannt. Er war allerdings nicht in der Lage oder nicht willens, für sich ein Mandat zu definieren, das über diese schmale Basis hinausreicht und auch die vielen anderen Fragen mit einbezieht, die im Fall Irak für die Mitglieder offensichtlich von Interesse waren: Mangel an Demokratie, permanenter Terror gegen Regimekritiker - bzw. die Frage, wie man mit den Gefahren umgeht, die durch ein Regime heraufbeschworen werden, das die Menschenrechte seiner Bürger schamlos missachtet und das durch die der Brutalität innewohnende Tendenz, Grenzen zu überschreiten, letztendlich auch seine Nachbarn angreift.

Schlussendlich sprachen die wichtigen Teilnehmer über die eine Sache, während sie an eine ganz andere dachten. Vielleicht dachten die Mitglieder des Sicherheitsrates auch, dass Menschenrechtsfragen in der Menschenrechtskommission besser aufgehoben wären. Gleichzeitig argumentierten jedoch während der jüngsten Versammlung der Kommission einige der 53 Staaten damit, dass die Kommission den Irak nicht besprechen sollte, da das ja bereits im Sicherheitsrat geschehen sei.

Andere wiederum meinten, dass die Irakfrage mit Menschenrechten überhaupt nichts zu tun habe, und wieder andere interessierte dieser Aspekt nur in Bezug auf die zivilen Opfer des Kriegs - nicht aber auf die des Regimes in den Jahren zuvor.

Wie auch immer: Der ausdrückliche Wunsch der meisten Staaten, in Genf ebenso wie in New York, war es, eine Diskussion über die Menschenrechte im Irak schlicht zu vermeiden.

In den Wochen vor dem Beginn des Krieges habe ich mit einigen der Hauptakteure in der Sicherheitsratsdebatte gesprochen. Und es braucht wohl nicht eigens erwähnt zu werden, dass niemand der UNO schaden wollte. Dass kein Konsens zustande kam, lag vielmehr am Unvermögen, das Problem politisch so zu fassen, dass eine Einigung im Rat möglich gewesen wäre.

In der Menschenrechtskommission war/ist die Pattsituation ähnlich, vielleicht sogar schlimmer. Beiden Gremien fehlt die Bereitschaft zu erkennen, dass grobe Menschenrechtsverletzungen sehr oft Kern nationaler und internationaler Unsicherheit sind.

Dabei ist das Problem keineswegs neu - man denke nur etwa an die Unfähigkeit der UNO, den Genozid in Ruanda und die Massaker von Srebrenica zu verhindern. Was haben diese Beispiele gemeinsam? In beiden Fällen mündete eine schlimme Krisensituation in eine schreckliche Metzelei - und beide Fälle "passten" nicht ins Konzept der UN-Gremien: Weder handelte es sich um Bedrohungen der internationalen Sicherheit wie üblicherweise vom Sicherheitsrat anerkannt und verstanden; noch war die Kommission in der Lage, in irgendeiner Form einzuschreiten.

Falsche Adresse

Wir müssen daher die Mitgliedstaaten der UNO - besonders jene, die im Sicherheitsrat sitzen, wie China, Frankreich, die Russische Föderation, das Vereinigte Königreich und die USA - dazu bringen, sich mit diesem Versagen auseinander zu setzen und es in einer Art zu bewältigen, die auf Verantwortung und nicht auf Rivalität basiert.

Die UNO an sich für das Versagen im Irak zu kritisieren, heißt, den Kern des Problems nicht verstanden zu haben, Denn wenn die Mitgliedstaaten ihre eigenen Regeln über den Haufen werfen oder ihre eigene kollektive politische Architektur sprengen, kann man wohl kaum die UNO oder deren Generalsekretär dafür verantwortlich machen. Gerade Kofi Annan hat sich unermüdlich für einen Konsens in diesen grundlegenden Themen engagiert, aber er kann eine Lösung natürlich nicht erzwingen. Genauso wenig bin ich in der Lage, dies mit der Menschenrechtskommission zu schaffen, deren Mandate von meinem Büro zwar durchgesetzt werden, die ich aber weder dirigiere noch kontrolliere.

Die Macht liegt bei den Mitgliedstaaten, insbesondere bei jenen, die im Sicherheitsrat vertreten sind. Diese müssen - gerade angesichts der jüngsten Erfahrungen - einen Weg finden, die Menschenrechte endlich als Kernfaktor für Fragen der nationalen und internationalen Sicherheit anzusprechen, ihre Beziehungen untereinander unter diesem Blickpunkt von Grund auf unter die Lupe nehmen und nach Reformwegen suchen.

Es muss klar werden, dass die Zeit für alle Staaten gekommen ist, globale Sicherheit unter Einbeziehung der Menschenrechte neu zu definieren. Nur so werden wir in der Lage sein, dauerhafte Stabilität in die Welt zu bringen. (DER STANDARD, Printausgabe, 2.5.2003)