Bild nicht mehr verfügbar.

Urnengang im Kilt

Foto: REUTERS/Jeff J Mitchell

Eben noch genoss Tony Blair den Ruhm des siegreichen Kriegsherrn, nun verpassten ihm die Wähler einen Denkzettel. Bei den Kommunalwahlen in England musste Blairs Labour-Partei schwere Verluste einstecken. Der "Bagdad-Effekt", der Auftrieb, den sich der Premier vom Schlachtensieg erhofft hatte, blieb aus.

In den 340 Stadt- und Gemeinderäten, die in England neu besetzt wurden, sicherten sich die Konservativen rund 35 Prozent der Stimmen. Die Sozialdemokraten kamen nur auf 30 Prozent und büßten gegenüber dem Lokalvotum von 1999 über 700 Sitze ein. Insgesamt standen etwa 10.000 Mandate zur Wahl.

Zum ersten Mal seit 20 Jahren verlor die Labour Party die Mehrheit im Rathaus von Birmingham, der zweitgrößten britischen Stadt. Auch in Industriezentren wie Bristol, Coventry, Bolton und Derby, also in sozialdemokratischen Hochburgen, musste sie sich geschlagen geben. Die Torys dagegen verbesserten sich um 540 Mandate - mehr als erwartet angesichts des heftigen Personalstreits, der in ihren Reihen tobt.

Gerade weil die Torys auf nationaler Ebene zurzeit aber keine echte Alternative zu Labour darstellen, schwingt in dem Ergebnis der Protest gegen den Kriegspremier mit. Traditionelle Labour-Anhänger, unzufrieden mit Blairs Irakkurs, unter ihnen viele Muslime, gingen offenbar gar nicht erst in die Wahllokale. In England lag die Beteiligung bei 30 Prozent, in Schottland und Wales, wo über Regionalparlamente entschieden wurde, bei 45 Prozent.

Blieb der Bagdad-Faktor aus, fiel dafür das Grummeln über lokale Probleme ins Gewicht. Erst im April hatten die Rathäuser des Königreichs die Gemeindesteuer um durchschnittlich 15 Prozent erhöht, weil sie mit geringeren Zuschüssen aus der Staatskasse auskommen müssen. Zudem sind die Beiträge zur Sozialversicherung um ein Prozent gestiegen. Doch obwohl zusätzliche Milliarden in den öffentlichen Dienst fließen, ist keine Besserung zu erkennen. Marode Krankenhäuser, ein völlig überlastetes Schienennetz, Dauerstau auf vielen Autobahnen - die Briten sehen nicht, was die höheren Steuern bewirken.

Im schottischen Regionalparlament wiederum bleibt Labour stärkste Partei. Die Scottish National Party, die Schottlands Unabhängigkeit will, verlor gegenüber 1999 sechs Prozent. In Wales erlitten die Nationalisten von Plaid Cymru erhebliche Einbußen; dort geben die Sozialdemokraten weiter den Ton an. Allerdings hatte sich der walisische Labour-Flügel im Wahlkampf deutlich von Blair abgesetzt - mit dem Versprechen, Sozialleistungen auszubauen, statt sie zu kürzen. "In Cardiff", glaubt der Politologe Anthony King von der Uni Essex, "hat Old Labour gesiegt."(DER STANDARD, Printausgabe, 3./4.5.2003)