London/Frankfurt - "Für Tony Blair ist der Irak-Krieg schon Geschichte - mag Washington sich mit der Frage herumschlagen, wie es das befreite Land davor bewahren will, sich zur islamischen Republik auszurufen, und was mit den als Kriegsverbrecher festgenommenen Mitgliedern des besiegten Regimes geschehen soll. Die britischen Truppen jedenfalls kehren demnächst, bis auf eine einzige Einheit, heim ins Königreich. Ihr Auftrag ist erfüllt, Saddam Hussein gestürzt, Bagdad erobert. Dass die auch von Blair viel beschworenen Massenvernichtungswaffen (noch) nicht gefunden wurden, ist im Nachhinein für die meisten Briten von geringer Bedeutung", schreibt die "Frankfurter Rundschau".

"Am liebsten möchte Großbritannien der leidigen Sache den Rücken kehren und den Irak den Irakis oder den Vereinten Nationen überlassen. Die Regierung Blair, im Irak mit einem blauen Auge davongekommen, möchte gern unverzüglich von der Golf-Front an die heimische Front, von der Außen- zur Innenpolitik, zurückkehren. Sie muss es auch: denn der Widerstand in den Labour-Reihen gegen zentrale Projekte Tony Blairs ist durch den Irak-Krieg nicht geringer geworden."

<b>Wunden dieser Zerwürfnisse heilen</b>

"Blairs blinde Gefolgschaft für George W. Bush, sein Schweigen zu den wütenden Tiraden Donald Rumsfelds hat - wie auch die neuesten militärpolitischen EU-Geplänkel zeigen - die britisch-kontinentale Annäherung zusätzlich erschwert. Es wird einiger Anstrengung bedürfen, die Wunden dieser Zerwürfnisse zu heilen - und in Europa wie in der eigenen Partei wieder Vertrauen in die integrierende Kraft der Labour-Regierung zu schaffen."

"Die Umstände des Irak-Krieges und jüngste Äußerungen über die 'Gefahren' einer multipolaren Welt haben die Kritiker in ihrem Verdacht bestärkt, dass ihr Premier im Innern wie im Äußeren einer Politik folgt, die eine 'Amerikanisierung' Großbritanniens und der ganzen Welt im Auge hat. Das US-Modell suche Blair in Basra wie in Birmingham, bei der gewaltsamen Umgestaltung des Nahen Ostens wie bei der erzwungenen Kommerzialisierung der eigenen Gesellschaft, durchzusetzen, klagt die Labour-Linke. Blair setze Modernisierung mit freier Marktwirtschaft, privatem Macht-Monopol und religiösem Fundamentalismus a la USA gleich - bei allen Beteuerungen, Britannien im aufgeklärten 'Herzen Europas' ansiedeln zu wollen." (APA)