Wien - Die Armutskonferenz befürchtet eine "Totalüberforderung der Sozialhilfe" im Zuge der Pensionsreform. Die Zahl der Mindestpensionisten werde anwachsen, im Gegenzug werde der Eigenleistungsanteil der Betroffenen an Pflegeleistungen in Alten- bzw. Pflegeheimen sinken und damit die Anforderungen an die Sozialhilfe steigen, so Sozialexperte Martin Schenk in einer Aussendung. Es sei aber nicht Aufgabe der für individuelle Notlagen geschaffenen Sozialhilfe, Kürzungen und Restriktionen in den Systemen der Sozialversicherung zu beheben.

Schenk: "Die Sozialhilfe wurde eigentlich nur als Instrument zur individualisierten Überbrückung außergewöhnlicher Notlagen konstruiert. Von daher ist sie gar nicht geeignet, regelmäßig wiederkehrende und massenhaft auftretende soziale Risikolagen aufzufangen - genauso wenig wie sie Kürzungen und Restriktionen in den Sozialversicherungssystemen z.b. in der Arbeitsmarktpolitik oder den Pensionen beheben kann."

Eine zusätzliche "Armutsfalle" sei die Umwandlung der Notstandshilfe in die Sozialhilfe. Ältere Menschen, die keinen Job mehr finden, würden zu Almosenempfängern, die Bezugszeiten nicht auf die Pension angerechnet. Die Pension sinke dadurch weiter. Schenks Resümee: "Die steigende Zahl der Mindestpensionist/innen wird also öfter krank und pflegebedürftig sein als Ältere mit höheren Pensionen, aber gleichzeitig weniger Geld zur Bezahlung sozialer Dienstleistungen zur Verfügung haben."

Wirtschaftsforum der Führungskräfte: Unausgegorene Pläne

Nachbesserungen fordert auch das Wirtschaftsforum der Führungskräfte (WdF). Die Manager begrüßen zwar die sichtbaren Nachbesserungen bei der vom Ministerrat beschlossenen Pensionsreform, halten jedoch einen weiter gehenden Konsens für notwendig. "Seitens der Opposition und der Sozialpartner hat es einige interessante Vorschläge gegeben, die im nun vorliegenden Gesetzesentwurf fehlen", so WdF-Geschäftsführer Helmut Wisiak. Ein nationaler Konsens in Sachen Pensionsreform bedeute bei klarer Vorgabe von Zielen und Verantwortlichkeiten keineswegs eine Verwässerung oder Verzögerung der Reform. Außer Frage stehe aber, dass eine Eskalation der Situation in Form von Streiks zu Lasten der Wirtschaft und des Wirtschaftsstandortes Österreich gehe.

Was die geplanten Reform-Maßnahmen betrifft, vermisst das WdF vor allem eine klare Darstellung der dringend notwendigen Harmonisierung der Pensionssysteme, womit die Abschaffung der "Zwei-Klassen-Gesellschaft" bei den Pensionen wieder aufgeschoben werde. Unausgegoren sei auch der Plan, für ältere Arbeitnehmer zwecks Arbeitsplatzsicherung die Lohnnebenkosten zu senken und allen über 50-Jährigen einen Rechtsanspruch auf Schulung einzuräumen. Die Arbeitsplatz-Wirksamkeit derartiger Maßnahmen sei stark zu bezweifeln. (APA)