Wien - Rechenfehler bei der Begründung für die geplante Streichung von rund zwei Schulstunden pro Woche werfen die Grünen dem Bildungsministerium vor. Bildungsministerin Elisabeth Gehrer (V) stütze sich bei ihrer Argumentation für die Notwendigkeit dieser Maßnahme auf den OECD-Vergleich "Bildung auf einen Blick", in dem Österreich eine weit überdurchschnittliche Unterrichtsbelastung für die Schüler bescheinigt wird. Die vom Ministerium an die OECD übermittelten Daten seien aber falsch, kritisierte der Grüne Bildungssprecher Dieter Brosz bei einer Pressekonferenz am Freitag.
Am schwersten wiegt für Brosz, dass - entgegen den OECD-Vorgaben - für die 13- und 14-jährigen Schüler auch Freigegenstände und Unverbindliche Übungen einberechnet worden seien. Dass dies nicht zulässig sei, bestätige auch der OECD-Abteilungsleiter Andreas Schleicher in einem Schreiben. Außerdem sei die Anzahl der Unterrichtswochen falsch übermittelt worden, da nicht alle Feiertage abgezogen worden seien. Während das Ministerium von 37,4 Unterrichtswochen ausgegangen sei, wären nach OECD-Kriterien höchstens 36 Unterrichtswochen realistisch. Mittlerweile bezweifelt offenbar auch die OECD das von Österreich übermittelte Daten-Rohmaterial und verlangt Auskunft. In einem Schreiben Schleichers heißt es, dass die Rohdaten Österreichs "sehr hoch" erscheinen.
Rechne man dagegen mit den richtigen Daten, liege Österreich derzeit ungefähr um eine Wochenstunde über dem OECD-Schnitt (1.148 Stunden pro Jahr), so Brosz. Mit der geplanten Stundenreduktion falle man also bereits darunter. Darüber hinaus werde von der OECD nur die reine Unterrichtszeit eingerechnet, nicht aber etwa Fördermaßnahmen, die von den Lehrern darüber hinaus in der Klasse gesetzt werden. Hier liege Österreich weit unter dem OECD-Mittel.
Das bedeute aber nicht, dass alles so bleiben müsse, wie es ist, betonte Brosz: "Eine Reform wäre schon ok." So habe etwa PISA-Sieger Finnland - auch korrekt gerechnet - weniger verpflichtende Unterrichtsstunden als Österreich. Der Unterschied wäre aber, dass diese anders über den Tag verteilt würden und den Schülern mehr Wahlmöglichkeiten und zahlreiche Fördermaßnahmen offen stünden. Die Gesamtzeit in der Schule wäre in Finnland daher nicht anders als in anderen Staaten - "aber die Verteilung ist eben anders".
ÖVP weist Kritik zurück
Zurückgewiesen wird die Kritik des Grünen Bildungssprechers, Dieter Brosz, von seinem ÖVP-Pendant Werner Amon. Noch vor knapp zwei Jahren habe Brosz kritisiert, dass die österreichischen Schüler teilweise auf eine höhere Arbeitszeit kämen als Erwachsene und dies "seit Jahren bekannt sei", so Amon in einer Aussendung. Damals habe Brosz Bildungsministerin Elisabeth Gehrer (V) aufgefordert, endlich Vorschläge zu unterbreiten, die hohe Arbeitsbelastung der Schüler zu senken.
Begründet habe dies der Grüne Bildungssprecher mit der OECD-Studie des davor liegenden Jahres und einer Erhebung der Wiener Universitätsprofessorin Christiane Spiel, meinte Amon. "Das, womit Brosz vor zwei Jahren noch selbst argumentierte, soll nun nicht mehr gelten, wenn es andere ins Treffen führen", kritisierte der ÖVP-Bildungssprecher. Entweder habe Brosz damals die OECD-Daten unkritisch und ungeprüft verwendet, oder er verdrehe heute die Fakten.
Ähnlich argumentierte der Bundesobmann der VP-nahen Schülerunion, Marc Vecsey: Noch vor einem Jahr habe es einen überparteilichen Konsens zu einer umfangreichen Zeitentlastung gegeben. Sowohl SP-nahe Schülervertreter wie auch die links-alternative Jugend hätten die Schülerunion in ihrer Forderung nach einer Stundenreduktion unterstützt. Mittlerweile gingen aber eben diese Gruppen auf die Straße und machten gegen die geplanten Maßnahmen mobil, so Vecsey.(APA)