Bagdad/Berlin - US-Präsident George W. Bush hat am Donnerstag zwar das Ende der Hauptkampfhandlungen im Irak verkündet. Dies ist aber keine offizielle Erklärung des Kriegsendes. Eine solche formelle Erklärung würde für die Siegermächte unter anderem bedeuten, dass sie gemäß den Konventionen von Den Haag und Genf (1907 bzw. 1949) bis zu 7000 Kriegsgefangene unverzüglich freilassen müssten, es sei denn, diese würden juristisch verfolgt. Auch der entmachtete irakische Präsident Saddam Hussein und seine Gefolgsleute könnten dann nicht mehr ohne weiteres "im Kampf getötet" werden, sondern müssten vor Gericht gestellt werden.
Da der Irak ohne förmliche Kriegserklärung seitens der USA und Großbritanniens angegriffen wurde, kann der Krieg nach Meinung von Völkerrechtsexperten auch ohne einen offiziellen Friedensvertrag enden. Selbst ein Waffenstillstandsabkommen oder eine Kapitulation seien nicht nötig, eine einseitige Erklärung der militärisch Erfolgreichen reiche aus. Ähnlich, wie die Alliierten es 1945 gegenüber dem besiegten Deutschland taten: Rund vier Wochen nach der bedingungslosen Kapitulation des Oberkommandos der Wehrmacht vom 8. Mai 1945 erklärten die Alliierten, Deutschland sei "nicht mehr fähig, sich dem Willen der siegreichen Mächte zu widersetzen". Die Alliierten würden nun "die oberste Regierungsgewalt" übernehmen, weil es in Deutschland keine zentrale Regierung oder Behörde gebe, die die Verantwortung für die Aufrechterhaltung der Ordnung und der Verwaltung des Landes übernehmen könnte.
Auch unter Kriegsrecht hat die Bevölkerung eines besetzten Landes Anspruch auf Ordnung und Schutz vor Willkür. Nach Artikel 43 des Haager Abkommens "betreffend die Gesetze und Gebräuche des Landkriegs" von 1907 ist es Aufgabe einer Besatzungsmacht, "die öffentliche Ordnung und das öffentliche Leben wieder herzustellen und aufrecht zu erhalten". Dabei sollen nach Artikel 46 "die Ehre und die Rechte der Familie, das Leben der Bürger und das Privateigentum, sowie die religiösen Überzeugungen und gottesdienstlichen Handlungen" geachtet werden.
Das Genfer Abkommen von 1949 und seine Zusatzprotokolle regeln weitere Aufgaben und Pflichten der Besatzer. Nach Artikel 14 des Zusatzprotokolls zu den Rotkreuzabkommen muss die Besatzungsmacht etwa dafür sorgen, dass die medizinische Versorgung der Zivilbevölkerung gesichert bleibt.(APA)