Im Vorfeld der angekündigten Streiks haben der Gewerkschaftsbund (ÖGB) und die Industriellenvereinigung (IV) mögliche arbeitsrechtliche Folgen betreffend, nun juristisch aufgerüstet. Die bisher eingeholten Gutachten können naturgemäß unterschiedlicher nicht sein.
So hat die IV ihre Betriebe darauf hingewiesen, dass eine Teilnahme am Streik ihrer Meinung nach "durchaus ein Entlassungsgrund sein kann". Der ÖGB bestreitet dies auf STANDARD-Anfrage dezidiert. Abgesehen davon, "dass Streik ein Menschenrecht bzw. eine Macht- und keine Rechtsfrage sei", so der Leitende Sekretär Richard Leutner, wäre eine Entlassung wegen einer Streikteilnahme rechtswidrig. Während des Streiks ruhen lediglich die Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsvertrag. Eine Abmeldung bei der Krankenkasse - wegen der Einstellung der Lohnzahlung für den Streikzeitraum - sei ebenfalls keine Entlassung. Insbesondere seien auch "Abwehrstreiks", die sich gegen Eingriffe in Grundrechte der Arbeitnehmer richten, in Österreich zulässig. Jetzt gehe es eben um die Abwehr von Existenz bedrohenden Verschlechterungen im Pensionsrecht, so Leutner.
Wolfgang Tritremmel von der IV hält dagegen, dass Betriebsversammlungen, die sich gegen allgemeine Maßnahmen der Regierung richten, nicht auf dem Betriebsgelände stattfinden dürfen. Aber auch wenn während der Dienstzeit vor dem Betriebstor gegen die Regierung protestieren wird, sei dies eine "unzulässige Arbeitsniederlegung".
Komme es zu einem längeren Streik und damit zu einer so genannten "beharrlichen Pflichtverweigerung", könnte es zuerst zu Verwarnungen der Streikenden und in der Folge zu Entlassungen kommen. Entstehe ein nachweislicher wirtschaftlicher Schaden, etwa durch ausbleibende Lieferungen von Vormaterialen, könne man nicht nur den ÖGB, sondern auch andere Firmen (etwa die stillstehenden Bundesbahnen) und mitstreikende Mitarbeiter dafür haftbar machen, meint Tritremmel. Der ÖGB-Konter: Für rechtmäßige Vorgangsweisen im Rahmen eines Streiks besteht keinerlei Haftung, weder für die Gewerkschaft noch für Arbeitnehmer. Und: "Sollte es Entlassungen wegen des Streiks geben, werden diese Firmen umso länger stillgelegt."(Monika Bachhofer/DER STANDARD, Printausgabe, 3./4.5.2003)