Heimkehr: „Porträt Dr. Franz Martin Haberditzl“ von Egon Schiele

Foto: Katalog/Jane Kallir
Wien - Rudolf Leopold dürfte vor Neid erblasst sein: Die Österreichische Galerie (ÖG) gelang es im Vorjahr, ein bedeutendes Werk von Egon Schiele zu erwerben. Aber noch immer hält Direktor Gerbert Frodl die Details zurück: Präsentiert wird das Porträt Dr. Franz Martin Haberditzl, entstanden 1917, der Öffentlichkeit erst am 4. Juni. Denn der Ankauf - Haberditzls Erben erhielten kolportierte 5,8 Millionen Euro - war mit Sondermitteln nur möglich, weil die Österreichische Galerie heuer ihr 100-Jahr-Jubiläum feiert. Schließlich war Haberditzl ab 1915 Direktor des Museums, das damals Staatsgalerie hieß.

Bei einer Summe von 80 Millionen Schilling bekommen Frodls Kollegen ziemlich feuchte Augen: Aufgrund einer seit Jahren "gedeckelten" Basisfinanzierung des Bundes musste Edelbert Köb, Direktor des Mumok, das Ankaufsbudget auf 100.000 Euro reduzieren. Peter Noever, dem Chef des MAK, bleibt kein Groschen für Erwerbungen. Und Rudolf Leopold ärgert sich immer wieder, dass ihm der Bund kein ordentlich dotiertes Ankaufsbudget zubilligt.

Hilmar Hoffmann, von 1970 bis 1990 Kulturdezernent der Stadt Frankfurt, ließ kürzlich mit einem Vorschlag aufhorchen, den schon Erhard Busek als Wissenschaftsminister in den frühen 90ern unterbreitete: Die Museen könnten verzichtbare oder doppelte Exponate verkaufen. Denn die Räume platzten aus allen Nähten, die Lagerung und Konservierung der Exponate sei teuer, in den Kellern werde noch in 100 Jahren vieles lagern, das niemals ausgestellt worden sein wird: "Mit diesem Geld könnten die Häuser Exponate erwerben, die sie unbedingt brauchen", meint der nun 78-Jährige. Zudem sei die Ansicht der Museen, einmal erworbene oder erhaltene Gegenstände dürften nicht veräußert werden, "konservativ".

Die Direktoren heimischer Kunstmuseen reagieren auf Anfrage des STANDARD genau so, wie Hoffmann es vorhersah: Noever hält den Vorschlag für "zynisch", denn die Folge sei "eine Demontage der Museen". Zudem ändere sich die Bewertung dessen, was - abgesehen von den unzweifelhaften Highlights - kunsthistorisch wichtig ist, von Generation zu Generation.

Wilfried Seipel, Generaldirektor des Kunsthistorischen, pflichtet bei: Eine der Aufgaben ist das Bewahren, die Depots seien der Speicher eines Kunstverstandes, die Sammlung dokumentiere auch die Geschichte der Sammlung. Er vergleicht diese mit einem Eisberg: "Das Sichtbare wird von einem breiten Fundament getragen." Und auch Frodl lehnt Verkäufe im Vertrauen auf den Staat strikt ab: "Die Republik würde es nie so weit kommen lassen, dass eine solche Maßnahme notwendig wäre."

Nur Klaus A. Schröder tanzt aus der Reihe: Der Direktor der Albertina erinnert daran, dass sein Haus in den 20er-Jahren Druckgrafik-Doubletten verkaufte, um Werke von Cézanne und Monet zu erwerben, was sich als Glücksfall herausstellte. Heutzutage sei davon abzuraten, da Druckgrafik keinen Preis mehr erziele.

Aber sehr wohl hielte er es für richtig, wertvolle Originale herzugeben, wenn diese nicht Teil der Identität eines Hauses seien. Den Hasen dürfe die Albertina also unter keinen Umständen schlachten - eine der vielen Studien von Albrecht Dürer aber z. B. dem Getty Museum zu überlassen, kann sich Schröder theoretisch vorstellen. Weil mit den erzielten 25 Millionen Euro bestehende Lücken gefüllt werden könnten: "Die Sammlung muss leben!" Und Schröder führt mehrere US-Museen an, die so verfahren: Das Metropolitan Museum lässt bei Christie's demnächst einen Monet versteigern, das Museum of Fine Arts in Boston bei Sotheby's zwei seiner 73 Degas' und einen seiner 39 Renoirs. (DER STANDARD, Printausgabe vom 4./5.2003)