Das Hausbesorger-Kind Christian Oxonitsch hat nur ein einziges Mal gegen die Partei rebelliert: "Ich war klar gegen Zwentendorf."

Foto: Heribert Corn

Wien - Ließe es sich irgendwie in den Terminkalender quetschen, würde er jede neu angeschaffte Legokiste zur Chefsache erklären - und sie den jeweiligen Kindergartenkindern persönlich überreichen. Denn Christian Oxonitsch ist sehr gerne bei den Menschen draußen. Vor eineinhalb Jahren übernahm er von Grete Laska das Amt des Bildungs-, Jugend- und Sportstadtrats und ist seither praktisch im Dauer-Außendienst.

Nachdem das Pratervorplatz-Debakel Laska den Job gekostet hatte, war eine Charmeoffensive auch dringend notwendig. Oxonitsch, davor Klubchef der Rathaus-Roten, hatte lange auf einen Stadtratsposten gewartet. Als es dann endlich so weit war, mischte er sich sogleich unters Wahlvolk und kommt seither aus dem Händeschütteln nicht mehr heraus. Inzwischen scheint ihm seine endlose Eigenwerbetour sogar Spaß zu machen, denn er zieht das Programm tapfer weiter durch, auch nach der Wahl.

Der 48-Jährige würde am liebsten jeden unter 60 duzen und verwickelt den jugendlichen Gürtellokal-Besucher genauso schnell in ein Gespräch wie den Pfarrer, dem er gerade eine Ehrenmedaille überreicht hat. Oxonitsch steht für eine neue Generation der Wiener Roten, die sich bewusst weniger zugeknöpft gibt als die alte Garde. Der konsequente Krawattenverweigerer trägt am liebsten Jeans und Hemden in diversen Rot- und Lilatönen und bewahrt sich damit eine Grundjugendlichkeit, die sonst vor allem freiheitliche Politiker kultivieren. Innen drin ist er aber ein echter Wiener Roter - und gilt deshalb auch als wichtigste Zukunftshoffnung, sollte Bürgermeister Michael Häupl nicht mehr die gesamte Legislaturperiode im Amt bleiben. Oxonitsch weicht niemals von der Parteilinie ab. Kritik an einem Genossen kommt ihm nicht einmal in sehr verklausulierter Form über die Lippen. Bevor er zu einem Thema seine Meinung äußert, fragt er erst einmal nach, wie die Partei dazu steht.

Überzeugter Ottakringer

Die Grünen setzten trotz dieser uneingeschränkten Linientreue in den letzten eineinhalb Jahren große Hoffnungen in den Sohn einer Hausbesorger-Familie. Mit Leuten wie Oxonitsch in der zweiten Reihe schien eine rot-grüne Koalition zumindest nicht mehr gänzlich undenkbar. Dass sich die Wiener SP nach dem Verlust der Absoluten nun tatsächlich mit den Grünen an den Verhandlungstisch setzt, hängt freilich nicht nur mit dem Bildungsstadtrat zusammen, der mit einer ehemaligen Pressesprecherin der Grünen liiert ist.

Im Hintergrund machten sich eine ganze Reihe SPler für diese Variante stark. Dass man sich lieber mit den Grünen als mit den Schwarzen auf ein Packel haut, hat aber auch mit Oxonitschs Ressort zu tun. Denn beim Thema Bildung waren sich die beiden Parteien stets halbwegs einig, während die VP etwa beim Thema Ganztagsschule gänzlich andere Vorstellungen hat.

Oxonitsch, der bis auf einen kurzen Abstecher in den Nachbarbezirk Penzing sein ganzes Leben in Ottakring verbracht hat, begann seine politische Karriere bei den roten Falken. Rebelliert habe er nur ein einziges Mal gegen die eigene Partei, sagt er: "Ich war klar gegen das AKW Zwentendorf - und bin mit Anti-Atom-Plaketterl zu Parteifesten gegangen." Das habe zwar heftige Diskussionen ausgelöst, seine Sektion aus Sandleiten sei aber immer auf seiner Seite gewesen. "Sonst hätte mich diese Debatte sicher stärker irritiert." Ein Parteiaustritt wäre aber auch dann nicht infrage gekommen, wenn er der einzige rote Atomkraftgegner gewesen wäre. "Ich war immer sozialdemokratisch." 1996 kam Oxonitsch in den Gemeinderat, 2001 wurde er Klubchef. Ein Stadtratsposten blieb ihm auch 2004 verwehrt, da seine Gattin Ulli Sima Umweltstadträtin wurde. Ein Ehepaar in der Regierung war selbst der großen sozialdemokratischen Familie zu viel. Inzwischen sind die beiden, die gemeinsam eine Tochter haben, geschieden. Und Oxonitsch hat ein riesiges Ressort geerbt.

Planungskompetenz

Er ist nicht nur für das flächendeckende Angebot an Gratis-Kindergartenplätzen verantwortlich, zu seinem Revier gehört neben Pflichtschulen, Jugendamt und Sportstätten auch der Presse- und Informationsdienst der Stadt Wien (PID) - das wichtigste Vehikel der Sozialdemokraten zur Bewerbung der eigenen Leistungen. Die Grünen schielen bei den Koalitionsverhandlungen auch auf Oxonitschs Ressort. Neben Umwelt und Integration will sich der Juniorpartner vor allem im Bildungsbereich einmischen. Oxonitsch pariert diese Begehrlichkeiten gewohnt diplomatisch."Es ist sicher alles im Gesamtpaket zu sehen - aber niemand hat eine Erbpacht auf irgendwelche Magistratsabteilungen."

Er selbst saß die ersten Jahre als Gemeinderat im Planungsausschuss, könnte also, falls die Grünen den Bereich Bildung bekommen sollten, ohne größere Probleme in dieses Ressort wechseln. "Das sucht man sich ja nicht selber aus" , sagt er, "das müssen andere entscheiden, was sie mir zutrauen und was nicht." Spricht da der nächste Bürgermeister? Bewusst bescheiden bleiben und gleichzeitig die Bereitschaft zeigen, jede von der Partei zugewiesene Aufgabe zu erfüllen, sind jedenfalls gute Voraussetzungen, es in der Wiener SP ganz nach oben zu schaffen. (Martina Stemmer/DER STANDARD-Printausgabe, 30./31.10./1.11.2010)