Auf das Rad des Schicksals geflochten, sind wir verdammt, längst Breitgetretenes in seiner ewigen medialen Wiederkehr zu erleben. Dieses Wochenende war also Generalmobilmachung in Sachen Tod und das Leben danach angesagt, und zwar in allen Facetten, die das journalistische Pompfuneberertum des Landes zu bieten hat. Den Anfang machte am Freitag die "Kronen Zeitung", wo sich Maggie Entenfellner Letzte Ruhe für treue Vierbeiner als Thema für animalisch-metaphysische Spekulation erwählte. Eine Brücke verbindet den Himmel und die Erde. Wegen der vielen Farben nennt man sie die Brücke des Regenbogens, und es kann ja nicht anders sein: Wenn ein geliebtes Tier auf der Erde für immer eingeschlafen ist, geht es zu diesem wunderschönen, warmen Ort. Wenn es so weit ist, müssen Leser der Tierecke aber nicht in Panik geraten. Dann überschreitet Ihr gemeinsam die Brücke des Regenbogens, und Ihr werdet nie wieder getrennt sein. Die "Krone" wird nachgeliefert.

Zwei Tage später ging der Redaktion Das Licht von Drüben auf. Eingeschaltet hat es ein Buchautor namens Raymond A. Moody, der aus der Nahtodforschung Optimismus für Après saugt: Sogar Atheisten erhalten plötzlich ein völlig klares Bild von Gott und Religion. Hoffentlich von der richtigen, die "Krone" wird doch da nicht unkritisch dem Islam Vorschub leisten! Bleibt auch so manche Ungewissheit, ist anderes dafür umso gewisser, weil inzwischen ein alter Hut. Die Betroffenen berichten von einem Tunnel, der sich öffnet und an dessen Ende ein strahlend helles Licht steht. Der Tunnelblick mündet nahtoderfahrungsgemäß in eine farbige, dreidimensionale Lebensrückschau. Man sieht nicht nur jede einzelne Handlung, die man im Leben je ausgeführt hat - der Rückblick dürfte also etwas länger dauern -, sondern nimmt auch unmittelbar die Folgen war, die jede Handlung auf die Beteiligten hat. Wer einen Menschen lieblos behandelt hat, nimmt sofort das Bewusstsein des Menschen an, den er lieblos behandelt hat, und fühlt seine Kränkung. Also immer schön lieb sein, Leute, und sich ein Beispiel an der "Krone" nehmen. Denn einmal schauen wir alle in die Röhre, und wer will dann, statt seine farbige, dreidimensionale Lebensrückschau in Ruhe zu genießen, das Bewusstsein irgendeines Ekels annehmen, dem es womöglich völlig egal war, lieblos behandelt worden zu sein? Und ihm womöglich wiederzubegegnen, nachdem sich der Tod dann doch nicht als so nah herausgestellt hat, wie der Tunnel versprach.

Dann heißt es positiv denken. Wie Dompfarrer Toni Faber, laut "Kurier" vom Sonntag eine Speerspitze im Kampf der Kirche gegen die Krise. Der hatte sein Erlebnis mit 17, nach einem Nierenversagen. "Ich habe Gott damals authentisch und existenziell erlebt", mit schönen Folgen: Er wird nicht nur der jüngste Dompfarrer Österreichs, sondern auch Kolumnist des "Kurier" (die "Krone" war leider schon besetzt), und ist sogar zu noch Höherem berufen. Der Pfarrer, mittlerweile Darling der Wiener Gesellschaft, macht mit Bungee-Jumping und Inline-Skating Furore. Er traut Prominente (Verona Pooth), segnet Homosexuelle und leitet das Begräbnis des Bildhauers und Atheisten Alfred Hrdlicka. 2007 wird ihm das große Ehrenzeichen der Republik verliehen. 2009 muss er nach einer Alkofahrt den Führerschein abgeben, was in manchen Kreisen einer Nahtoderfahrung ziemlich nahe kommt. Und jetzt typisch für die metaphysische Gleichgültigkeit des "Kurier" unter einem Chefredakteur, der sich lieber weltlich-eitel plakatieren lässt, statt gründliche Recherche zu fordern. Die längst langweilige Frage nach dem Auslaufmodell Zölibat (O-Ton Faber) musste kommen, aber zu erfahren, wie Gott authentisch aussieht - und das aus dem Munde eines Sterblichen, der ihn nicht nur authentisch, sondern auch existenziell erlebt hat -, ist einem "Kurier"-Redakteur ja völlig wurscht. Den einen oder anderen Leser hätte es vielleicht interessiert.

"Österreich", traditionell der Ort für guten Lesestoff, hat sich mit der Besprechung des rechtzeitig vor Allerheiligen gelieferten Werkes von Andreas Salcher auseinandergesetzt. In Meine letzte Stunde erklärt der Autor, der erst unlängst den Lehrer als Feind des talentierten Schülers entlarvt hat, den Tod zum Freund des Menschen - dessen Talent vorausgesetzt, er zahlt 21,90 € für die Botschaft, angesichts des Todes sei alles nichtig - man müsse nur gelegentlich an ihn denken. Gar nicht so falsch. Aber bei Seneca und Co gibt's das seit zwei Jahrtausenden billiger. (Günter Traxler/DER STANDARD; Printausgabe, 2.11.2010)