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Hypo-Akten tauchen auch die Zukunft ins Dunkel.

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Wien - Die verstaatlichte Hypo Group Alpe Adria steckt immer noch in argen Kalamitäten. Vorige Woche kündigte Bankchef Gottwald Kranebitter "massive Verluste" auch für heuer an, die Rede ist von bis zu 700 Mio. Euro (die Bank bestätigt diese Zahl nicht). Nun müssen die Banker einen neuen Schlag hinnehmen: Auf einer Internetseite wurden, wie in einem Teil unserer Wochenendausgabe berichtet, alle Details über Kreditkunden von 2009 veröffentlicht. Ein Sprecher der Bank betonte, dass trotz fatalen Datenlecks die "aktuellen Kundenbeziehungen vertraulich sind"; man erwäge rechtliche Schritte.

Die Daten stammen aus dem Bericht von PriceWaterhouseCoopers (PwC) Deutschland, der im Auftrag der Bank ab Sommer 2009 erarbeitet wurde. Diese Kreditanalyse war auch eine der Grundlagen, auf die man sich bei der Verstaatlichung der Hypo Ende 2009 gestützt hat. Zur Erinnerung: Seit damals verspricht man dem Steuerzahler, dass seine Bank ab 2012 Gewinne schreiben wird.

Optimistische Banker

Faktum ist, dass die Hypo im ersten Halbjahr 2010 Risikovorsorgen von 600 Mio. Euro gebildet hat, fürs Jahr rechnete man Anfang Juli mit einer Milliarde.

Schon Ende 2009 waren Wirtschaftsprüfer von einem zusätzlichen Risikovorsorgebedarf von 900 Mio. bis 1,3 Mrd. Euro ausgegangen. Von Krediten in der Höhe von 38 Mrd. Euro, die die Bank damals vergeben hatte, wurden 16 Prozent länger als 90 Tage nicht bedient (non perfoming loans). Der Umgang damit war unorthodox: "Obwohl bereits ein Zahlungsrückstand von mehr als 90 Tage vorliegt, wird ein Teil dieser Engagements weiterhin im Performing Portfolio geführt" (also: als ob sie bedient würden; Anm.), befanden Prüfer. Überhaupt zeigten sich die Banker großzügig. Auf Sicherheiten bestanden sie nicht unbedingt: Der Blankoanteil der "leistungsgestörten Portfolios" (schlechteste Rating- und intensivste Betreuungsstufe; Anm.) lag Mitte 2009 bei 1,5 Mrd. Euro; zwei Drittel davon betrafen die Hypo- International und ihre Töchter in Österreich und Kroatien.

Bloß ein Beispiel: Die istrische Ferienanlage Skiper (die Bank hat sie zur Gänze übernommen) stand 2009 in Summe mit rund 200 Mio. Euro bei der Hypo in der Kreide, der Wert der Sicherheiten wurde mit rund der Hälfte angesetzt. Zusätzlicher Risikobedarf damals: fast 100 Mio. Euro. Allein bei der österreichischen Hypo erreichten die Kredite der gefährdetsten Risikogruppe 600 Mio. Euro. Sicherheitenwert: ein Drittel davon. Maximaler zusätzlicher Vorsorgebedarf: 130 Millionen. Was die Notenbankprüfer seit Jahren kritisieren, galt auch 2009: "Schwächen hinsichtlich der laufenden Überwachung der Kreditnehmer, der Systematik zur Bewertung der Sicherheiten und bei der Ermittlung und Bildung der Risikovorsorge."

Viele dieser Kreditdeals sind bereits gerichtsanhängig, so etwa der Fall Blok 67, in dem neben den Ex-Bankchefs Wolfgang Kulterer, Günter Striedinger, Siegfried Grigg auch Tilo Berlin als verdächtig geführt werden. Sie weisen die Vorwürfe zurück, es gilt für alle die Unschuldsvermutung.

In dem Kreditfall ging es um Bau und Nutzungsrechte für das "olympische" Dorf bei der Universiade, die 2009 in Belgrad stattfand. Die Blok-67-Gesellschaft hatte tausend Euro Eigenkapital, im ersten Anlauf (2006) wollte sie 130 Mio. Euro Kredit. Die Gesamtkosten des Projekts wurden damals auf 150 Mio. Euro geschätzt, sie stiegen auf 225 Mio. Dass hinter Blok-Eigentümerin CEE Invest auch Hypo-Steuerberater Hermann Gabriel stand, liest sich in Protokollen so: "Laut Dr. Kulterer betreut Gabriel lediglich noch eine laufende Steuerprüfung fertig." Wie auch immer: Die Kosten stiegen, Sicherheiten waren kaum vorhanden, gezahlt wurde nicht, bankintern wurde das Engagement kritisch gesehen, trotzdem gab es "Überbrückungskredite".

Im März 2007 wollten die Kärntner einmal etwas Neues tun: Sie verlangten von CEE zehn Mio. Kapitaleinschuss und die Abtretung von 51 Prozent der Blok um einen Euro. Daraus wurde nichts. Vielmehr kaufte die Hypo die Blok 67 um 18 Mio. Euro selbst. (Die Hälfte übernahm später die serbische Delta Real). Der Kaufpreis ging an CEE und eine Assoluta Anstalt. Hermann Gabriel einst zur Kleinen Zeitung: Die 13,5 Mio. für seine Anteile seien der "angemessene Preis für harte Entwicklungsarbeit von 2002 bis 2006" gewesen.

Parkplatz Niederlande

Ende 2007 - Kredite und Garantien waren inzwischen an die Hypo Netherlands Corporate Finnace ausgelagert - wurde die nächste Spritze nötig, erstmals begehrten Aufsichtsräte auf. Berlin beruhigte ("Die Nachfrage nach Wohnungen übertrifft das Angebot"), Grigg warnte ("Nichtfinanzierung könnte zu Baustopp und Fälligstellung von Garantien führen"), der Kreditantrag ging durch.

Zuletzt waren noch ungefähr 123 Millionen Euro offen. (Renate Graber, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 2.11.2010)