Im Hammam-Bereich für Männer übernimmt ein Mann die Behandlung.

Foto: Aux Gazelles

Im Salon de Thé des Aux Gazelles wird vor und nach dem Bad marokkanischer Thé a la Menthe serviert.

Foto: Aux Gazelles

"Achtung, jetzt wird es kalt!" warnt Maryam, bevor sie mir das in eiskaltes Wasser getauchte Tuch mit einem Klatsch über den gesamten Körper legt. Vor diesem kurzen Kälteschock war ich immerhin fast eingeschlafen, eine halbe Stunde lang habe ich mich auf den Marmorplatten auf dem Rücken liegend - meinen Kopf auf eine schön verzierte, umgedrehte Metallschale stützend - aufgewärmt und meiner Haut die nötige Zeit gelassen, ihre Poren an der feuchtwarmen Luft zu öffnen. Nach dieser anfänglichen Entspannungs-Phase begann die aus Casablanca stammende Hammamci (Dame oder Herr des Hammams) mit meinem Körperpeeling.

Für dieses klassische Peeling schrubbt die "Dame des Hammams" (im Bereich für Männer übernimmt ein Mann die Behandlung) mit einem rauen Reibehandschuh - und das nicht allzu sanft - zu allererst Wangen und Stirn ab, dann kommen das Dekolleté und der Bauch und abschließend die Arme und Beine dran. Die Rückstände der oberen Hautschicht, die sich durch das Abreiben gelöst hatten, kleben am ganzen Körper und zeugen vom Erfolg des Tiefenpeelings. Gleich darauf gießt sie aus großen Schalen warmes Wasser über den Körper, um die abgeriebene Haut gemeinsam mit dem Stress des Arbeitstages fortzuspülen. Danach erfolgt der erwähnte Kälteschock. Blitzschnell ist der Kreislauf wieder voll in Gange. Abschliessend gibt es wieder eine Ruhepause.

Körperliche und seelische Reinigung

Die Tradition des arabischen Bads geht auf die griechisch-römische Badekultur zurück. In Byzanz wurde diese weiterentwickelt und auch von den Arabern und Persern übernommen. Seit einigen Jahrhunderten gibt es in der Türkei, Persien und den arabischen Ländern Hammams, die besonders in den Wintermonaten beliebt sind. Das Hammam dient als Ort der Ruhe und der Reinigung - körperlicher wie auch seelischer. In Nischenbecken an den Wänden fließt kaltes und warmes Wasser, allzeit bereit, um mit Hilfe von Kupferschalen den Körper wohltuend mit Wasser zu übergießen.

Das einzige, was man im Hammam braucht, ist Zeit und die Bereitschaft, sich auf das besondere Wellness-Programm einzulassen, sich also vertrauensvoll in die Hände der Hammamcis zu begeben. Nachdem man mit der Kleidung auch die belastenden Gedanken des Alltags in der Garderobe lassen sollte, bekommt man ein sogenanntes Pestemal, ein Baumwolltuch, das man sich um die Hüfte bindet und während der Behandlung durch den oder die Hammamci ablegt. Wie in der hierzulande üblichen Sauna sind die Bereiche für Frauen und Männer getrennt, an speziellen Tagen steht der Badebereich auch für beide Geschlechter zur Verfügung.

Ein Ballon aus Luft und Seife

Nachdem das ursprünglich eiskalte Tuch längst meine Körpertemperatur angenommen hat, verrät mir Maryam, dass sie nun mit der Seifenmassage beginnen werde. Sonst spricht die gebürtige Marokkanerin nicht viel. Im Gegensatz zu den beiden anderen zwar leise, aber unentwegt tratschenden Badbesucherinnen - von Familiengeschichten über Zahnproblemen bis hin zu Urlaubsplänen wird kein Thema auslassen. Nachdem ich mich zurück besinne, dass das Hammam nicht meine alleinige Ruhezone ist, nach der es sich schon beinahe anfühlte, konzentriere ich mich wieder auf meine Wohlfühlbehandlung.

Für die anschließende Körperwaschung tunkt die Hammamci ein zu einer Art Sack zusammengenähtes weißes Baumwolltuch in eine Schale mit Seifenwasser, zieht das durchnässte Tuch heraus, öffnet den oberen Teil und schwingt es so lange, bis sich genügend Luft darin gefüllt hat und es wie ein Ballon aussieht. Diesen Baumwollballon legt sie auf den Oberkörper des Badbesuchers und drückt langsam die Luft heraus, die einen großen Berg an Seifenschaum entstehen lässt. Man wird von oben bis unten eingeseift, auch hinter den Ohren und zwischen den Zehen. Eigenartig, von einem fremden Menschen an solchen Stellen gewaschen zu werden. Als unangenehm empfinden dies aber die wenigsten.

Bedingte Authentizität

Meinen ersten Hammam-Besuch absolvierte ich in Aleppo in Syrien. Gerade von einem Bummel im Souk kommend, besticht so ein Bad in einem orientalischen Land schon mit einer Portion Authentizität. Wenn die Hammamci dann auch nur arabisch spricht und während des Peelings leise syrische Lieder zu summen beginnt, fühlt man sich wie in einer unwirklichen Traumwelt. Klarerweise schwingt dabei mit, dass das Relaxen im Urlaub weit weg von zuhause manchmal etwas leichter fällt.

Dass ein Hammam in Wien nicht die gleiche Atmosphäre auszustrahlen vermag, liegt irgendwie auf der Hand, zumal man von der Welt nach dem Badbesuch allzu schnell in das gewohnte Leben zurückgeholt wird. Aber als kleine Einführung für spätere Hammam-Besuche auf Reisen oder auch als Variante zu anderen Dampfbad- oder Wellness-Behandlungen empfiehlt sich das Verweilen in den Wiener Hammam-Gemäuern allemal. Einziger Wermutstropfen: Die Eintrittspreise hierzulande sind sehr hoch und nichts für eine schmale Geldbörse.

Erinnerung an frühe Kindertage

Nach der Seifenmassage inklusive Haarwäsche und einer heißen Dusche mit kurzer Kaltsequenz, die Maryam liebenswerterweise wieder ankündigt, werde ich von ihr in ein weißes Badetuch gehüllt. "Heute sind Sie unsere Babies," meint Maryam lächelnd mit Blick auf mich und eine weitere Hammam-Besucherin, während sie mir das Gesicht abtrocknet. Und tatsächlich, nicht nur meine Haut fühlt sich weich an wie die eines Neugeborenen, auch sonst fühle ich mich sehr an meine frühen Kindheitstage erinnert, immerhin hat mich seit damals nur selten eine andere Person von Kopf bis Fuß gewaschen und mich danach in ein großes weiches Badetuch gewickelt. (Jasmin Al-Kattib, 3. November 2010, daStandard.at)