1956 wurde im britischen Calder Hall das erste Atomkraftwerk auf dem Gebiet der heutigen Union eröffnet. 54 Jahre später legte der für Energiefragen zuständige EU-Kommissar Günther Oettinger am Mittwoch in Brüssel den ersten Gesetzesvorschlag für eine Regelung der Endlagerung von Atommüll vor. Bisher lag das Abfallmanagement - 7000 Kubikmeter pro Jahr - ganz in Händen der Mitgliedstaaten, so wie auch die Gewinnung von Nuklearenergie nationale Entscheidung ist.

Die Kommission greife nicht ein in der Frage, für welchen Energiemix sich Länder entscheiden, betonte Oettinger. Die Sicherheit jedoch betreffe alle Bürger über die Grenzen hinweg. Die Union habe daher dafür zu sorgen, dass höchste Standards eingehalten werden, erklärte Oettinger.

Nach Auffassung der Kommission bestehe die sicherste Art der Endlagerung in Tiefenspeichern. Dies hätten im vergangenen Jahr mehr als 200 Experten aus 70 Organisationen einhellig empfohlen. Bis heute planen ein halbes Dutzend EU-Länder solche Endlager, aber es gibt in der gesamten Union bisher kein einziges.

Verbindlicher Rahmen

Der EU-Kommissar will nun einen verbindlichen Rahmen dafür schaffen. Die Regelung könnte, sofern die Staaten mitspielen, bis 2011 fertig sein. Dann sollen die Mitgliedsländer vier Jahre Zeit bekommen, nationale Programme zur Endlagerung zu erarbeiten.

Als härtester Streitpunkt dürfte sich dabei das von Oettinger angestrebte Verbot des Exports von Atommüll außerhalb der EU erweisen. Frankreich mit 58 von EU-weit 143 Atomkraftwerken EU-weit strebt dies mit Russland an, ebenso Deutschland, wo Bürgerinitiativen die Errichtung von Endlagern erschweren.

Die EU-Richtlinie soll die Länder zwingen, erstens ihre Pläne umfassend darzustellen: Bau und Betrieb der Lagerstätten sind zu klären, technische Lösungen und die Kosten. Diese Pläne sollen zweitens von der Kommission bestätigt werden müssen, und drittens sei die Öffentlichkeit umfassend zu informieren.

Dass die EU-Staaten dies so annehmen, ist eher unwahrscheinlich. Die Grünen werfen der EU-Kommission vor, vor der AKW-Lobby kapituliert zu haben, sie käme völlig ungeschoren davon.(Thomas Mayer, DER STANDARD; Print-Ausgabe, 4.11.2010)