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John Boehner ist neuer Chef des US-Repräsentantenhauses.

Foto: AP/dapd/Cliff Owen

Es ist erst ein paar Monate her, da klang John Boehner (60), als wollte er vor dem Untergang Amerikas warnen. Die Demokraten waren drauf und dran, die Gesundheitsreform durchzusetzen. Im Parlament trat der Fraktionschef der Republikaner ans Mikrofon und quittierte es mit einem Wutausbruch - ob echt oder gespielt, sei dahingestellt. "Zur Hölle, nein!" , rief er zornig. "Schämen Sie sich!"

Bald zieht Boehner als Fraktionschef der stärksten Partei ins Büro des Sprechers im Repräsentantenhaus ein. Für Boehner ist es ein zweischneidiges Schwert. Allein auf Konfrontation mit dem Weißen Haus kann er dann nicht mehr setzen. Der Katholik aus Cincinnati wird sich ein weicheres Image zulegen müssen.

Boehner zählt zu den alten Hasen auf dem Capitol Hill. 1990 wurde er zum ersten Mal ins Abgeordnetenhaus gewählt, nachdem er sich in der Bundesstaatenkammer Ohios seine ersten Sporen verdient hatte. Unter seinem Mentor Newt Gingrich, dem Gegenspieler Bill Clintons, stieg er schnell auf. 1994 schrieb er am Zehnpunkteplan "Contract with America" mit, mit dem die Konservativen die ideologische Wende erzwingen wollten. Unter George W. Bush kümmerte er sich in seiner Fraktion um die Bildungspolitik, wobei er gute Drähte zu Edward Kennedy knüpfte, dem Patriarchen der Demokraten.

Seit Obama im Oval Office sitzt, scheint Boehner seinen Pragmatismus vergessen zu haben. Und wie so viele auf den Oppositionsbänken spielt der Insider die Rolle des Außenseiters, der sich gebärdet, als habe er mit dem Politikbetrieb Washingtons rein gar nichts zu tun. "Ich bin nicht Nancy Pelosi, ich bin nicht Barack Obama. Ich sage, was ich meine, und ich meine, was ich sage." Im Wahlkampf gab er den hemdsärmeligen Kumpel. Und da sein gebräunter Teint allzu offensichtlich die vielen Stunden auf Golfplätzen verriet, ließ er ihn zuletzt ein wenig verblassen.

In jungen Jahren biss sich Boehner energisch nach oben durch. So gesehen taugt er als Erfolgsmodell für die Geschichte vom amerikanischen Traum. Schon als Kind, als eines von zwölf Geschwistern, spülte er in der Kneipe seines Vaters Geschirr. Sein Studium an der Xavier University, einem jesuitischen Kolleg, finanzierte er, indem er Fußböden wischte. In seiner Familie war der frühere Footballspieler der Erste mit Hochschulabschluss. Mit seiner Frau Debbie ist er seit 36 Jahren verheiratet. Die beiden haben zwei Töchter, Lindsay und Tricia. (Frank Herrmann/DER STANDARD, Printausgabe, 4.11.2010)