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Griechische Anti-Terror-Einsatzkräfte sehen sich Gegnern aus der Videospielkultur gegenüber, sagen Experten

Foto: EPA/SIMELA PANTZARTZI

Athen/Istanbul - "Schauen Sie sich die Gesichter an, sie drücken alles aus." Panayis Panagiotopoulos, ein Soziologe von der Universität Athen, ist sich sicher: Mit Paketbomben Terror zu verbreiten, ist für die jungen mutmaßlichen Täter, die von der griechischen Polizei verhaftet worden sind, kaum mehr als ein Spiel. Griechenland entdeckt diese Woche eine neue Generation von Terroristen.

Studenten, mitunter aus wohlhabenden Familien, proben die Revolution. Der Name ihres Geheimbunds klingt schon nach Pennäler-Romantik und Harry Potter: "Verschwörung der Zellen des Feuers". "Das sind Terroristen, die aus einer Videospiel-Kultur kommen", sagt Panagiotopoulos. "Aber das alles ist natürlich sehr ernst."

Nur einer der beiden jungen Männer, die am Dienstag dem Haftrichter vorgeführt wurden, ist der Polizei als Mitglied der "Feuerzellen" bekannt. Nach ihm wurde seit vergangenem Jahr gefahndet. Die Gruppe legte einfach gebaute Sprengsätze vor Banken und öffentlichen Gebäuden. Im September und Oktober 2009 verhaftete die Polizei dann eine Reihe von Mitgliedern der "Feuerzellen". Nun haben sie sich mit den Paketbomben wieder zurückgemeldet.

Zwar sind auch diese Sprengsätze einfach gebaut. Dennoch brauche es ein gewisses Maß an Wissen, um 250 Gramm Schwarzpulver und eine Zündvorrichtung so in ein Paket zu legen, dass die Bombe nicht beim Einbau oder während des Transports explodiert, sagt Ioannis Michaletos, Terrorexperte vom Athener Institut für Sicherheits- und Verteidigungsanalysen.

Keines der jungen Mitglieder der "Feuerzellen"sei bei der Armee gewesen und habe eine militärische Ausbildung, betont Michaletos. Den Bau der Bomben müssten sie aber irgendwo gelernt haben. Michaletos hat eine Theorie: Zwei bekanntere Terrorgruppen in Griechenland haben die junge "Verschwörung der Zellen des Feuers" vorgeschickt. Die Gesellschaft sollten sie verunsichern, den Boden für blutige Anschläge bereiten.

Politische Morde

Die zwei Gruppen - "Revolutionärer Kampf" und "Sekte der Rebellen" - sind für eine Reihe von Attentaten in den vergangenen Jahren verantwortlich. Die "Rebellen" erschossen im vergangenen Juli etwa den Journalisten Sokratis Giolias und kündigten dann einen "Kampf gegen die Korruption" in der Gesellschaft an. Der "Revolutionäre Kampf" ist älter und geht auf Griechenlands berüchtigste linksextreme Terrorgruppe zurück, die "Organisation 17. November". Diese ermordete zahlreiche Politiker und Unternehmer, darunter auch Pavlo Bakoyannis, den Ehemann der späteren Athener Bürgermeisterin und Außenministerin Dora Bakoyannis. 2003 wurden ihre führenden Mitgliedern der Prozess gemacht.

Bekennerschreiben der jungen "Feuerzellen" gelten dagegen als "nihilistisch" und ideologisch weniger verankert als bei den älteren Terrorgruppen. "Griechenland hat ein merkwürdiges Verhältnis zur Gewalt", meint der Soziologe Panagiotopoulos. "Wir haben eine Gesellschaft, die Gewalt erlaubt." (Markus Bernath, STANDARD, Printausgabe, 04.11.2010)