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Anhänger der Tea Party feierten, als von den TV-Stationen verkündet wurde, dass die Republikaner die Mehrheit im House of Representatives erreicht hätten

Foto:Ann Heisenfelt/AP/dapd

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Nach dem Erdrutschsieg der Republikaner bei den US-Kongresswahlen werden nun von Experten und Kommentatoren die Ursachen gesucht: die schlechte Wirtschaftslage, der taktische Fehler der Demokraten, sich auf die Gesundheitsreform statt auf Arbeitsplätze zu konzentrieren, und Barack Obamas ungeschickte Kommunikationspolitik werden am öftesten genannt.

All das stimmt. Aber die wichtigste Ursache liegt nicht bei Konjunktur oder im Weißen Haus, sondern in den Köpfen der Amerikaner: Dieses Volk ist politisch, und vor allem wirtschaftspolitisch, stockkonservativ – weit rechts von allem, was wir in Europa kennen.

Im Vergleich zu den Franzosen, wo die Menschen für die Bewahrung des Pensionsalters von 60 demonstrieren (in Österreich müssen sie das nicht, es wird ihnen nicht weggenommen), leben die Amerikaner wirklich auf einem anderen Planeten. Wer etwas rechts von der Mitte in Europa steht, gilt in den USA als „liberal“, also als Linker.

Je nach Umfrage identifizieren sich rund ein Drittel der Amerikaner als Demokraten, ein Drittel als Republikaner und ein Drittel als Unabhängige. Aber die Unabhängigen sind in der Mehrheit konservativ, selbst wenn sie gelegentlich Demokraten wählen.   

Eigentlich gibt es seit den späten sechziger Jahren, also seit mehr als 40 Jahren, eine republikanische Mehrheit, zunächst bei Präsidentenwahlen, nach und nach auch im Parlament. Demokraten hatten immer nur dann eine Chance, wenn republikanische Präsidenten das Land in die Krise führten: durch die Watergate-Affäre, die Rezession der frühen neunziger Jahre, oder die Kombination von Irakkrieg und Finanzkrise.

Aber sobald die siegreichen Demokraten begannen, eine linksliberale Politik zu machen, wurden sie von den Wählern wieder abgestraft: Jimmy Carter verlor die Wiederwahl, Bill Clinton und Obama mussten nach nur zwei Jahren eine schwere Schlappe im Kongress einfahren.

Jeder demokratische Aufbruch war nach kurzem wieder dahin und wurde durch eine lange Periode republikanischer Dominanz abgelöst.

Das ist vor allem für Europäer ernüchternd, die immer wieder hoffen, dass die USA etwas von den guten Seiten des europäischen Modells lernen - so wie Europa regelmäßig den Amerikanern etwas abschauen.

Dies wäre noch zu verkraften, wenn die Republikaner nicht in jedem Jahrzehnt weiter nach rechts rücken würden. Das begann unter Ronald Reagan und setzte sich nach 1994 unter Newt Gingrich fort. Heute steht die Tea Party noch rechts vom bereits sehr, sehr konservativen republikanischen Establishment, das sich aus Gingrichs Gefolgsleuten zusammensetzt.

Sarah Palin symbolisiert den neuen Zeitgeist für eine bedeutende Minderheit der US-Wähler, die in den kommenden Jahren auch zur Mehrheit werden könnte. Die Chancen, dass Palin die nächste Präsidentschaftskandidatin der Republikaner wird, sind inzwischen schon recht hoch. Dass sie ins Weiße Haus einzieht, ist zwar noch unvorstellbar – aber die US-Politik ist unberechenbar geworden.

Hätte Obama etwas anders machen können? Nicht viel. Das Konjunkturpaket war unverzichtbar und die Ausweitung des Defizits unvermeidbar, die Finanzregulierung dringend notwendig. Die Kritik der Republikaner an diesen Maßnahmen ist reiner Populismus, der vom Fehlen eines auch nur in Ansätzen glaubwürdigen Wirtschaftsprogramms noch verschärft wird.

Auch ein stärkerer Fokus auf Arbeitsplätze hätte keine Arbeitsplätze geschaffen. Das hätte nur eine noch größere Steigerung der Staatsausgaben getan, und das wollen die Wähler schon überhaupt nicht.

Die Demokraten wurden für eine Wirtschaftslage abgestraft, die die Republikaner dem Land eingebrockt haben. Und Obama wird nun dafür gerügt, dass er das politische Spiel des Mitgefühl Heuchelns nicht geschickt genug gespielt hat, sondern sich auf Sachpolitik konzentriert hat.

Bleibt die Gesundheitsreform. Tatsache ist, dass die Amerikaner diese Reform nicht wirklich wollen, weil sie entweder dem Staat nicht trauen, das Richtige zu tun, oder überhaupt Gesundheitsversorgung als Privatsache sehen.  Die Falschheit dieser Position, die fatalen Folgen für Arme und Kranke, die psychologischen und wirtschaftlichen Kosten, wollen die meisten einfach nicht sehen.

Ein Verzicht auf die Reform hätte den Demokraten viele Verluste erspart. Aber die Mehrheit wäre möglicherweise trotzdem dahin gewesen. Zumindest haben Obama und Nancy Pelosi die Chancen, die die große demokratische Mehrheit geboten hat, dafür genutzt, dem Land etwas mehr Sicherheit und Fairness zu bringen. Das war, wie Obama schon im Vorfeld der Wahlen gesagt hat, die Niederlage wert.

Aber mehr ist aus diesem verstockt konservativen Land an sinnvollen Reformen wohl nicht herauszuholen. Eine Energiewende wird ein Traum bleiben, die USA daher weiterhin nichts gegen die Klimaerwärmung tun. Die Anti-Einwanderungsstimmung wird zunehmen, und die benötigten Investitionen in die öffen  tliche Infrastruktur ausbleiben. Vieles wird weiter verfallen, von Straßen über Schulen, und möglicherweise auch die Universitäten.

Denn eine moderne Gesellschaft kann, auch wenn es die Tea-Party-Aktivisten glauben, ohne einen aktiven Staat nicht florieren. Wenn die Amerikaner diesen verhindern, steht es schlecht um das Land der unbegrenzten Möglichkeiten.  

Mehr dazu hatte ich Mittwochabend im Club 2 zu sagen.