Wien - Verfassungsrechtler Bernd-Christian Funk hat die missbrauchsanfällige und daher umstrittene Briefwahl am Donnerstag heftig kritisiert. Er bezeichnete die Regelung bei einer parlamentarischen Diskussionsveranstaltung wörtlich als eine "Pfusch"- und "Witz"-Regelung, die "ins Skurrile" gehe. Hauptkritikpunkte sind die tagelange Nachfrist, binnen der Wahlkarten bei der Wahlbehörde einlangen können sowie die völlig unkontrollierte Möglichkeit, Wahlkarten zu bestellen und diese auch entgegenzunehmen.

Auch bei der Ausübung des Wahlrecht selbst gibt es keine Kontrollen. Wenn die auf der Wahlkarte vorgesehene eidesstattliche Erklärung, wonach der Stimmzettel persönlich, unbeobachtet und unbeeinflusst ausgefüllt wurde, gefälscht wird, gibt es keine Konsequenzen. Denn eine solche Fälschung sei als Straftatbestand abgeschafft worden, sagte Funk. Was die Sanktionen betrifft, gehe die Briefwahl-Regelung "ins Skurrile" und habe "Züge einer Witz-Regelung". "Da wurde gepfuscht", lautete das vernichtende Urteil des Verfassungsexperten. Er gab zu bedenken, dass es beim Wahlrecht "ins Eingemachte" gehe und riet daher zu einer der Wichtigkeit dieses Themas angemessenen Reform.

Massive Kritik an Nachfristen

Der Leiter der Wahlabteilung im Innenministerium, Robert Stein, begründete die Nachfristen damit, dass eine Streichung "Nebenwirkungen" hätte. Und zwar könnten dadurch viele Wahlkarten wegfallen, weil sie zu spät einlangen. Als Grund nannte Stein die Neigung des Menschen, alles auf die lange Bank zu schieben. Außerdem würde durch eine Streichung der Nachfrist Auslandsösterreichern Zeit weggenommen werden. Die Betroffenen selbst widersprachen dem: Sowohl Brigitta Blaha von der Abteilung Auslandsösterreicher im Außenamt als auch Jürgen Em vom Weltbund der Auslandsösterreicher hätten mit einer Abschaffung der Nachfristen kein Problem, solange die Fristen vor der Wahl - etwa für die Wahlkarten-Bestellung - verlängert werden. Für Em wäre das sogar wichtiger.

Bei der von den Grünen organisierten Veranstaltung mit Experten waren auch SPÖ mit Bundesgeschäftsführer Günther Kräuter und die FPÖ mit Verfassungssprecher Harald Stefan vertreten. Zwei der sechs angekündigten Experten waren nicht gekommen, einer nur mit Verspätung. (APA)