Wien - Ohne wirtschaftliche Entwicklung ist Frieden und Stabilität nicht möglich: In groben Zügen waren sich die beiden Friedensnobelpreisträger Mohamed ElBaradei und José Ramos-Horta einig. Aber im Detail gingen die Meinungen der beiden dann doch auseinander. Welche Rolle spielt dieDemokratie und wie wichtig ist westliche Entwicklungshilfe?

Für den früheren Chef der Wiener Atomenergiebehörde IAEO, ElBaradei, ist ein sozial funktionierender Staat ohne Demokratie nicht vorstellbar. Bestes Beispiel sei sein autoritär regiertes Heimatland Ägypten, wo 40 Prozent der Bevölkerung mit weniger als einem Dollar pro Tag auskommen müssen. Der heutige Präsident Osttimors, Ramos-Horta, machte dagegen deutlich, dass die richtigen Proportionen beim Streben nach Demokratie schon mal durcheinander geraten können. So leisteten die USA früher fast die Hälfte ihrer Hilfszahlungen an das bitterarme Osttimor nicht zur Bekämpfung von Elend, sondern zur Stärkung der Demokratie.

Ramos-Horta und ElBaradei diskutierten am Donnerstag auf Einladung der Wirtschaftkammer über Frieden und Wachstum. Moderatorin und Standard-Redakteurin Gudrun Harrer verhinderte simple Schlussfolgerungen, indem sie nach China fragte: Wenn Wachstum und Freiheit zusammengehören, warum ist dann China so erfolgreich?

Für ElBaradei ist China eine Ausnahmeerscheinung: "Dort ist das Wachstum derart groß, dass die Menschen ihre Forderung nach Reformen aufgeschoben haben." Ramos-Horta sagte, China sei bereit, vom Westen zu lernen. Dagegen im Vier-Augen-Gespräch, "öffentliche Lektionen in Sachen Demokratie schätzen sie nicht" .

Ramos-Horta kritisierte auch, dass der Westen die Entwicklungsländer unzureichend unterstütze. So habe nur ein Bruchteil der in den Statistiken verbuchten Entwicklungshilfe Osttimor je erreicht, sagte er. Das habe nichts mit Korruption zu tun. Europa und die USA wickeln ihre "Hilfe" mit ihren eigenen Agenturen und NGOs ab, die Prioritäten der Partnerländer seien zweitrangig. Das nimmt mitunter abstruse Züge an: So seien über die rund eine Million Bewohner Osttimors 3000 Studien durchgeführt worden. "Wir sind auf jede nur erdenkliche Weise analysiert worden" , sagte Ramos-Horta, "und man ist doch nur zu dem Ergebnis gelangt, dass wir arm sind."

Für Ramos-Horta sind bessere Hilfe und niedrige Steuern (zehn Prozent Flat-Tax in Osttimor) das effektivste Mittel zur Stärkung der Wirtschaft. (szi´/DER STANDARD, Printausgabe, 5.11.2010)