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Warten auf Obama: Inderinnen in Bhopal

Foto: epa/Sanjeev Gupta

Neu Delhi  - US-Präsident Barack Obama ist am Samstag zu seinem ersten Besuch in Indien eingetroffen. Nach einem Zwischenstopp auf dem US-Luftwaffenstützpunkt im deutschen Ramstein landeten der Präsident und seine Ehefrau Michelle in der südwestindischen Finanzmetropole Mumbai.

Mehr als drei Tage nimmt sich Obama für Indien Zeit. Das ist lange für einen termingestressten US-Präsidenten. Dennoch hält sich die Freude bei den Gastgebern in Grenzen. Während halb Indien vor der Visite von Obamas Vorgänger 2005 im "Bush-Fieber" (Medien) versank, sind die Töne nun kühl, ja sogar scharf. "Obama kommt nach Indien und hat anscheinend nichts zu bieten", stichelte die indische Zeitung Mail Today enttäuscht.

Obama gedachte der Opfer der Terrorserie von Mumbai

Obama ist es bisher nicht gelungen, mit Indien warmzuwerden. Ob er das Eis bei seinem Antrittsbesuch brechen kann, ist fraglich. Seine Tour startete er in Mumbai. Knapp zwei Jahre nach der Terrorserie in der westindischen Finanzmetropole hat US-Präsident der Opfer gedacht. Obama sagte, mit dem Auftakt seines Indien-Besuchs in Mumbai sende er eine sehr klare Botschaft: "Dass die Vereinigten Staaten und Indien in ihrer Entschlossenheit vereint stehen, unseren Völkern eine Zukunft der Sicherheit und des Wohlstands zu geben." Washington und Neu-Delhi würden ihre Zusammenarbeit gegen den Terrorismus verstärken.

Schon heute arbeiteten die Vereinigten Staaten und Indien enger zusammen als je zuvor, sagte Obama. "Ich freue mich darauf, unsere Kooperation gegen den Terrorismus noch weiter zu vertiefen, wenn ich Premierminister (Manmohan) Singh in Neu-Delhi treffe." Der US-Präsident fügte hinzu: "Mumbai ist ein Symbol für die unglaubliche Energie und den Optimismus, der Indien im 21. Jahrhundert definiert." Pakistan nannte Obama in seiner Ansprache nicht.

Verhältnis von Obama und Indien ist kühl

Als politisches Herzstück wird seine Rede am Montag vor dem Parlament in Delhi gehandelt. Aber die Inder machen sich wenig vor. Obama kommt weniger als strategischer Partner, sondern als oberster Handlungsreisender der USA - im Schlepptau hat er eine 215 Kopf starke Wirtschaftsdelegation. Der angeschlagene Präsident möchte Milliardenaufträge an Land ziehen, um die US-Wirtschaft zu stärken. Sein Reiseziel sei, "Verträge abzuschließen, die amerikanische Jobs schaffen", schreibt das Wall Street Journal.

Doch bei den Vorgesprächen knirschte es heftig. Indien möchte unter anderem 126 Kampfjets im Wert von etwa elf Milliarden Dollar kaufen. Doch es blieb offen, ob US-Firmen den Zuschlag erhalten. Auch Frankreich, Russland und sogar China klopfen an. In Washington findet man, dass Delhi den USA die Deals schuldet, weil die Bush-Regierung den zivilen Nuklearpakt durchboxte, der dem lange geächteten Atom-Paria Indien den Status einer anerkannten Nuklearmacht einräumte.

Indien erwartet amerikanisches Entgegenkommen

Das zusehends selbstbewusste Land will sich nicht auf eine Bringschuld festnageln lassen, sondern erwartet von den USA weiteres Entgegenkommen: Auf Delhis Wunschliste stehen etwa der Zugang zu "dual-use-Technik", also Technik, die sowohl zivil als auch militärisch genutzt werden kann, - und ein ständiger Sitz im UN-Sicherheitsrat. Vor allem mit klarem Rückhalt dafür könnte Obama die Herzen der Inder erobern, aber bisher zögert er.

Auch Obamas Afghanistan-Strategie, wenn diese überhaupt den Namen Strategie verdient, stößt Indien sauer auf. Delhi ist alarmiert, dass Washington jüngst wieder die Nähe Pakistans sucht. In Delhi sieht man diese Signale mit Sorge. Man fürchtet, dass sich die USA im Endspiel am Hindukusch mit Pakistan zusammentut und Indien das Nachsehen hat. Die Inder erwarten, dass Obama ihre Sicherheitsinteressen berücksichtigt. Es hat das Klima auch nicht verbessert, dass US-Medien enthüllten, dass die USA Delhi angeblich wichtige Geheimdienst-Informationen vorenthielten, die das Blutbad in Mumbai möglicherweise hätten verhindern können. Obendrein beschwerte sich Indiens IT-Branche, dass die USA ihren Geschäftsleuten Visa verweigerten.

Analyst: Obama setzt auf China und Pakistan, nicht auf Indien

Der Analyst M.K. Bhadrakumar glaubt, dass "der Missklang" zwischen Delhi und Washington "ernster und langfristiger" ist, als es scheint. So hatte Obamas Vorgänger George W. Bush das demokratische Indien als Gegengewicht in Asien zum autoritären China aufbauen wollen. Obama habe seine Prioritäten neu sortiert. Er setze vor allem auf China und Pakistan, meint Bhadrakumar. (Christine Möllhoff aus Neu-Delhi, STANDARD-Printausgabe, 06./07.11.2010)