Wien - Mit Sezuan.Gut. Mensch will das BernhardEnsemble Brechts episches Lehrstück Der Gute Mensch von Sezuan kräftig entstauben: Tatsächlich wird auf der mit feinem Kies ausgestreuten Spielfläche im Wiener Off-Theater immer wieder Staub aufgewirbelt. Wenn es heißt, das Stück sei "ganz frei nach Brecht", so bezieht sich die Freiheit darauf, keinem festgeschriebenen Text zu folgen. Die Handlung orientiert sich weitgehend am Original.
Ein Gott kommt auf die Erde, um einen wirklich guten Menschen zu finden. In Sezuan, das eigentlich doch Wien ist, findet er schließlich den Stricher Yang (Grischka Voss), der, mit göttlichen Moneten gesegnet, versuchen muss, auch ein guter Mensch zu bleiben. In kapitalistischer Karlsplatzgesellschaft ist das aber schwer, weshalb Yang immer wieder zur harten Yin werden muss, um in der rauen Wirklichkeit bestehen zu können.
Verkleidete sich bei Brecht eine Prostituierte als Mann, so geschieht hier also das Umgekehrte. Wenn sich Yang in einen Piloten verliebt, öffnet dieser Geschlechterwechsel Genderdiskussionen Tür und Tor. Die spätere Schwangerschaft des von der Sexarbeit ins Trafikantengeschäft gewechselten Yang ist schwerer zu erklären.
Dem Ensemble liegt aber auch weniger daran, das Publikum mit einer stringenten Handlung zu fesseln, als eine bunte Mischung an Themen anzusprechen, die relevant sein könnten. So ist die Rede von Nichtraucher- und Umweltschutz, Migration, Castingshows, Gutmenschen, Bobos und vielem mehr. Zwischendurch wird gesungen (Musik: b. fleischmann) und die Zuseherschaft zur Partizipation scheinaufgefordert.
Am Ende liegt es schließlich auch an dieser, sich auf das Gezeigte einen Reim zu machen, denn: "Der Brecht hat sich da ja selber nicht mehr ausgekannt". (wall/ DER STANDARD, Printausgabe, 6./7.11.2010)