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Helmut Kraft sieht sich auch in einem Jahr noch beim LASK. Sofern nicht alles den Bach runtergeht. Am Samstag gastieren die Linzer in Kapfenberg. Die Strömung ist stark. Vielleicht zu stark.

Foto: Reuters/Ebenbichler

Standard: Wundern Sie sich, noch immer Trainer des LASK zu sein?

Kraft: Kennt man den Präsidenten Peter-Michael Reichel nicht nur oberflächlich, wundert es einen nicht. Die allgemeine Meinung ist, dass bei ihm die Leute kommen und gehen. Ist er aber von jemandem überzeugt, steht er hinter dieser Person. Aber natürlich ist es auch überraschend. Denn die Mechanismen im Fußball funktionieren normalerweise ganz anders.

Standard: Hat der LASK diese Mechanismen abgeschafft? Oder fehlt nur das Geld für die Abfertigung?

Kraft: Das glaube ich nicht. Geht Reichel davon aus, dass der falsche Mann am Ruder ist, hat er den jeweiligen immer abgelöst, da macht er keinen Rückzieher. Aber er ist sich sicher, dass meine Arbeit in Ordnung ist. Er hält mir die Stange und will nicht mitschwimmen.

Standard: Vor einer Woche nach dem 0:3 gegen Ried sagten Sie, der LASK sei mausetot, Sie erreichten die Mannschaft nicht mehr. Muss man da nicht von sich aus einen Schlussstrich ziehen?

Kraft: Vielleicht ist das falsch rübergekommen. Ich wollte keinen Blödsinn reden. Es war so, dass die Besprechung nicht gegriffen haben kann. Weil die Leistung katastrophal war. Meine Aussagen bezogen sich aber nur auf diese Partie.

Standard: Das Leben im Keller ist bekanntlich finster. Haben Sie im Dunkeln Angst?

Kraft: Angst ist nicht das richtige Wort. Ich mache mir Sorgen um den LASK, ich fürchte, dass wir vielleicht absteigen müssen und viele Leute enttäuschen. Es ist äußerst unangenehm, Erwartungen nicht zu erfüllen. Existenzangst habe ich keine, aber nicht deshalb, weil ich so viel Geld besitze. Ich denke mir, dass Negatives irgendetwas Positives haben muss. Diese Erfahrung gehört zum Geschäft.

Standard: Ist Fußballtrainer ein undankbarer und ungerechter Job?

Kraft: Das fragt man sich immer, wenn es nicht rennt. Bist du Geschäftsführer von einem Elektrokonzern, weißt du, wie viele Flachbildschirme du verkauft hast. Am Ende des Monats bekommst du einen Leistungsnachweis. Im Fußball kannst du arbeiten, alles investieren, und du verlierst trotzdem viermal hintereinander. Da denkst du dir schon, was machst du hier eigentlich. Andererseits nimmst du die Erkenntnis mit, dass deine Macht begrenzt ist. Alle Trainer wollen das Beste. Trotzdem gibt es erfolgreiche und erfolglose. Das kann sich jederzeit ändern, damit muss man klarkommen.

Standard: Ist der Umgang mit den Fußballprofis komplizierter geworden? Es haben sich ja auch die Rahmenbedingungen geändert. Mehr Medien, höhere Gagen, häufigere Klubwechsel.

Kraft: Das Verhältnis der Spieler zu den Stammklubs hat sich geändert. Es ist ein ständiger Wechsel. Schießt man ein Tor, hält man das Vereinswappen in die Runde. Kriegst du woanders mehr Geld, zeigst du das andere Wappen her. Das Fernsehen wurde wichtiger, man wird getrieben, muss immer Rede und Antwort stehen. Mit Printjournalisten kann man wenigstens Gespräche führen. Im Fernsehen hält dir einer unmittelbar nach einem 0:3 das Mikrofon unter die Nase und fragt, wie es dir geht. Das kann es nicht sein.

Standard: Leiden Traditionsklubs stärker unter dieser Entwicklung?

Kraft: Ich denke schon. Die Vienna oder der Sportklub haben trotz langjähriger Zugehörigkeit zum Fußball diese Entwicklung irgendwie übersehen. Man lebt teilweise in der Vergangenheit, euphorisiert Sachen, die vor 20 oder 40 Jahren waren. Bei uns auf der Linzer Gugl ist die Sentimentalität ständig präsent. Der Fußball ist eben sentimental, das Schnelllebige will der Fan eigentlich gar nicht. Er ist Anhänger eines Klubs, bis er im Grab liegt.

Standard: Aber es profitieren doch auch Trainer vom Medienirrsinn. Sie sind Stars geworden. Vielleicht nicht unbedingt beim LASK.

Kraft: Die Arbeit des Trainers wird überbewertet. Man hat einen riesigen Stab von Spezialisten. Das Wichtigste sind einfach die Spieler, es kommt darauf an, was sie leisten. Man ist ihnen ausgeliefert. Sie können dir den Job nehmen oder dich zum Liebling der Massen machen. Das ist eine Abhängigkeit, die gefährlich ist. Die Spieler wissen das. Vor 15 Jahren war der Trainer der Chef.

Standard: Sie hatten immer nur sehr kurze Gastspiele, seit 2002 ist der LASK bereits Ihr achter Verein. Woran liegt das?

Kraft: Das ist tatsächlich komisch. In Wörgl war ich fünf Jahre lang, dann wurde es kürzer. Dabei bin ich einer, der sich wohlfühlen und bleiben will. Aus Ried bin ich selber gegangen. Vielleicht liegt es daran, dass ich meine Linie durchziehen möchte und ich damit offensichtlich anecke.

Standard: Wo sehen Sie sich in einer Woche, einem Monat, einem Jahr? Oder am Samstag, nach einer Niederlage in Kapfenberg?

Kraft: Ich sehe mich in einem Jahr noch beim LASK. Es sei denn, es geht komplett den Bach runter, da kann sogar Reichel nicht mehr aus. Ich muss dagegenarbeiten. Wir lassen uns im Bach treiben und merken nicht, dass die Strömung zu stark ist, um an Land geschwemmt zu werden. Irgendwann kommt der Strudel, der dich ganz runterzieht. Das will ich unbedingt vermeiden. (Christian Hackl; DER STANDARD Printausgabe; 6./7. November 2010)