Wühlen beim Opernmarkt macht sichtlich Spaß.  Die Bregenzer Festspiele boten am Samstag (6.11., 9 bis 17 Uhr, Werkstattbühne) Kostüme und Requisiten feil. Pflichttermin für Mimen, Trödelfreunde, Faschingsnarren.

Foto: Stiplovsek

"André Chénier", die nächste Oper auf dem See, wird opulent. Deshalb braucht man im Festspielhaus Bregenz Platz für Neues.

Bregenz - Aida muss André Chénier Platz machen. Nicht nur auf der Seebühne, auch in den Lagerhallen. "Opulent, groß und farbenprächtig" wird die nächste Inszenierung, rührt Axel Renner, Pressesprecher der Festspiele, inmitten ägyptischer Masken die Werbetrommel für Umberto Giordanos Revolutionsdrama. Opulenz braucht ihren Platz, deshalb muss raus, was nicht mehr gebraucht wird.

Freitag um 12 Uhr mittags gingen die Tore zum großen Abverkauf auf, eine Stunde später reichte die Schlange an der Kassa fast durch die ganze Halle. Wer da stand, hatte gewonnen und strahlte entsprechend. "Wunderschöne Kleider im Sixties-Stil für ein paar Euro, reingeschlüpft und gepasst, so ein Glück", freut sich die Amateur-Tangotänzerin. Ein kleiner Mann, der ganz ohne zu quengeln mit Trittroller in der Schlange steht, gibt der Reporterin gleich einen heißen Tipp: "Musst ganz hinten schauen, da sind die Polizeiwesten." Nikolas wirft sich in die Brust, präsentiert das schwarze Ding, wenn schon nicht kugel-, dann konfettisicher: "Mit der bin ich jetzt der erste neunjährige Polizist."

Was den Festspiel-Markt von üblichen Trödelmärkten unterscheidet, sind nicht nur die kunstvoll gefertigten Unikate, es ist vor allem das Publikum. Nicht Schnäppchenjäger mit stählernen Ellbogen, sondern gesittete Bildungsbürger, die sich höflich um das schönste Stück bemühen. Die Frau Professor aus dem örtlichen Gymnasium sucht nach passenden Outfits für Sketches ihrer Schülerinnen, der Jungarchitekt wühlt in Pailettentops nach einem Mitbringsel für die Freundin. Der Diplomingenieur in Ruhe sucht mit Gattin nach Musikinstrumenten für die Enkelkinder, Neoprenschuhe für fünf Euro kann man da gleich auch noch mitnehmen, sind praktisch auf dem Segelboot. Das Speedboot aus Tosca, etwas versteckt im Hallenhintergrund, stößt allerdings auf wenig Interesse. Gleich weg hingegen waren die Chaiselongues aus Der Untergang des Hauses Usher.

Eine Extrabteilung ist sakralen Gewändern gewidmet. Kein Wunder, waren doch die Auftritte der hohen und korrupten Geistlichkeit wesentliche Szenen der Tosca- und Aida-Inszenierungen. Die kardinal- und papstroten Gewänder ziehen vor allem Männer gesetzteren Alters an. Das Kardinalfeeling werde sich erst mit längerem Tragen einstellen, scherzt einer. Herr Krimmel, Psychoanalytiker aus dem Stuttgarter Raum, rüstet sich mit dem Kirchengewand für den Kölner Karneval. Rückschlüsse auf seine Persönlichkeit ließe die Kostümwahl nicht zu, scherzt der Jungianer: "Das ist reiner Zufall."

Aus der Umkleidekabine tritt ein Bischof in vollem Ornat, schreitet Richtung Abteilung Bischofszubehör. Ein junger Blonder mit Pharaomaske hat bereits einen Hirtenstab ergattert, sieht den Geistlichen und ätzt: "Der soll mal aufpassen, dass er kleinen Buben nicht zu nahe kommt."

Ähnlich wenig mit dem Klerus hat Herr Kiderlen zu schaffen: "Das ist nichts für mich." Der Ravensburger trägt einen Bolero aus Figaros Hochzeit mit passendem Hut. Er ist extra aus Deutschland angereist, "weil das hier einfach eine gigantische Sache ist".

Was stimmen könnte. Mehrere tausend Besucherinnen und Besucher werden bis Samstagabend erwartet. Und "mehrere Zehntausend Euro an Einnahmen" (Axel Renner). Es gehe jedoch mehr um die Reduktion von Lagerkosten als um den Verkaufserlös, sagt Renner. Und nicht zuletzt um Werbewirksamkeit und Kundenbindung: Während sich die Fans Andenken an ihre Lieblingsaufführung holen, läuft im Hintergrund dezent Werbung für André Chénier. (Jutta Berger / DER STANDARD, Printausgabe, 6./7.11.2010)