Waffe und Sonnenbrille, Symbole eines zornigen weiblichen Selbstbewusstseins, sind irgendwo im Chaos des Mutterseins verschüttet: Christa Dichgans: "Stillleben mit Frosch", 1969.

Foto: Littkemann

Wien - "Ah, push it - push it real good" stöhnten 1988 Salt-N-Pepa auffordernd und landeten damit einen internationalen Hit. Rasch stiegen sie zu Alpha-Weibchen des Pops auf. Weiblicher HipHop war damals noch höchst ungewöhnlich, und die Ladies in ihrer Sexualpolitik ausgesprochen selbstbewusst. "C'mon girls, let's go show the guys that we know how to become number one ..." Mit Salt-N-Pepa hatte Amerika ein neues feministisches Mainstream-Modell gefunden, das bis heute gerne wiederentdeckt wird.

"Push it": Ein besseres Vorspiel kann man für die Ausstellung "Power up - Female Pop Art" gar nicht finden. Das sexuell einfordernde und selbstsichere Preludium zur Schau untermalt eine Signation mit den Konterfeis der Künstlerinnen - Evelyne Axell, Sister Corita, Christa Dichgans, Rosalyn Drexler, Jann Haworth, Dorothy Iannone, Kiki Kogelnik, Marisol und Niki de Saint Phalle.

Es passt deswegen so perfekt, weil es die Frauenbewegung damals verabsäumte, diese Künstlerinnen zu Proponentinnen der feministischen Ziele zu machen. Nicht nur der männliche Kunstkanon, nein, auch die Geschlechtsgenossinnen marginalisierten ihre Leistungen. In Bezug auf die weibliche Pop-Art habe ein doppeltes Übersehen stattgefunden, erklärt Kuratorin Angela Stief. Was später bei Salt-N-Pepa nicht mehr juckte, störte damals noch ungemein: die starke Sexualisierung ihrer künstlerischen Sprache.

Statt der fetischisierenden Pin-up-Ästhethik und nicht nur malerisch eindimensionaler Flachware von Kollegen wie Mel Ramos oder Tom Wesselmann, mit Zugeknöpftem zu antworten, zeigten sie lustvolle Nacktheit, die neben "Lips & Tits" eben auch des Mannes bestes Stückchen inszenierten. Ein spielerischer Zugang, der deswegen nicht weniger analytisch oder kritisch Genderfragen diskutierte.

Gut vermitteln das einige Zeichnungen der 1961 nach New York ausgewanderten Österreicherin Kiki Kogelnik (1935-1997): Der Frau die Zunge und damit ihre Stimme zu rauben, zeigt das Blatt "Tongue Operation" (1969), das einen gewaltvollen Akt mit Schere inszeniert. Daneben ein plattgewalzter Frauenkörper, oder ein zum Motorrad stilisierter Unterleib für den perfekten Ritt, eine Vulva, die mit Mundwasser geschrubbt wird oder Feldstecherblicke ertragen muss. Man muss nicht Valie Exports zeitgleiche Arbeit "Genitalpanik" heranziehen, um das feministische Potenzial dieser Zeichnungen zu erkennen.

Mundtot ließ sich auch Dorothy Iannone nicht machen. Für eine Gruppenschau in der Kunsthalle Bern 1969 (organisiert von Harald Szeemann) wollte man zwar ihre Bilder zeigen, aber vielleicht doch besser ohne die Genitalien drauf. Um einen Skandal zu vermeiden, versuchte man die pikanten Details mit Klebeband zu bedecken. Iannone sagte die Ausstellung ab und verarbeitete die Zensur im bissigen Comic "The Story of Bern".

Lyndons heiliger Phallus

Statt bittersüß eher zum Brüllen komisch sind Iannones Figuren aus der "Peoples"-Serie (1966/67): etwa das Grüppchen aus Lyndon B. Johnson, John F., Bob und Jackie Kennedy. Einzig Lyndon hat schamhaft den "heiligen Phallus" bedeckt. Die Püppchen sind in einem der "Schaufenster" der Ausstellung arrangiert. Zusammen mit Litfaßsäulen, an denen Infos zu den allzu lang übersehenen Künstlerinnen angeschlagen sind, ergibt das ein sehr stimmiges Display für eine Schau zur Pop-Art, die sich stark mit der dinglichen Welt der Waren beschäftigt hat. Die popkulturelle Sprache hat insbesondere Sister Corita für soziale und politische Anliegen einzusetzen gewusst.

Verdinglicht sind auch die Reflexionen Christa Dichgans' zur eigenen Lebensrealität - jene einer jungen Mutter. Die Einzige unter den Künstlerinnen, die streng der Leinwand verpflichtet ist, malte wilde Haufen aus grellbunten Quietschtieren und luftgefüllten Spielzeugen. Frauen sind in ihren Bildern der "deutschen Pop-Art" gar nicht sichtbar, aber es ist klar, dass diese sich mehr Gedanken über ihre Freiheit und ein bisschen Schlaf machen als über Frisur und blankpolierte Küche.

Wer Pop-Art schon allmählich zum Gähnen fand, findet hier eine prickelnde und vor allem weibliche Revitalisierung. (Anne Katrin Feßler / DER STANDARD, Printausgabe, 6./7.11.2010)