Wien - Wann wurden Sie das letzte Mal mittels Flipchart über die Grundlagen des Wiener Volksstücks aufgeklärt - während eines solchen? In der Uraufführung von Franzobels "Die Pappenheimer oder Das O der Anna O." am Donnerstag im Schauspielhaus ist einer der gelungeneren Kunstgriffe jedenfalls, wenn sich ein geschäftiger PR-Beauftragter (komisch: Matthias Schweiger) immer wieder kommentierend ins Geschehen einschaltet: "Was Sie hier sehen, sind nur Sozialkarikaturen. Sie vertreten auf stilisierte Weise das Milieu, aus dem sie kommen." Als da wären: Ein ekelhafter Bankdirektor (solide: Vincent Glander), seine an sozialem Aufstieg per Ehelichung interessierte Sekretärin (lustig: Veronika Glatzner) und der versoffene Nachtwächter (schwach: Ingo Tomi), der Erstere im Tresor der Bank überrascht. Dort wollen sie einen Bericht über Bertha Pappenheimer, auch bekannt als "Urpatientin" der Psychoanalyse Anna O., entwenden.

Hintergrund des Plots: Dort, wo sich heute in Wien-Alsergrund die Zentrale der Volksbank befindet, wohnte Pappenheimer von 1878 bis 1881. Um die Geschichte des Hauses aufzuarbeiten, gab die Bank die Gespenstervolkssonate, so der Untertitel, in Auftrag. Im weiteren Verlauf widmet sich das Stück (Regie: Jan-Christoph Gockel) der "Hysterie" von Anna O. und pendelt dabei zwischen durchaus witzigen Momenten und geistlosem Klamauk. Artiger Applaus. (Stefan Mayer / DER STANDARD, Printausgabe, 6./7.11.2010)