Auch die Hauptverantwortlichen der Gletscherbahn, Günther Brennsteiner und Peter Präauer, werden der Katastrophe gedenken.

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Am 11. November 2010 werden sich wieder Angehörige an der Gedenkstätte in Kaprun treffen.

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Standard: Sie haben in den letzten Jahren gegenüber den Medien geschwiegen. Was motiviert Sie, sich zum zehnten Jahrestag des Unglücks im Stollen der Standseilbahn einem Interview zu stellen?

Peter Präauer: Man muss unterscheiden. Als Unternehmen haben wir nicht geschwiegen. Wir haben aber in den vergangenen Jahren auch gemerkt, dass eine Personifizierung notwendig ist. Auch in dem Sinn, dass wir als Personen Verantwortung übernehmen. Wir waren ja beide zum Unglückszeitpunkt in verantwortungsvollen Positionen.

Standard: Wie gestaltet sich Ihr persönlicher Kontakt zu den Angehörigen? Viele leben im Pinzgau, in Ihrer Nachbarschaft.

Präauer: Es ist in einem hohen Maße gelungen, das Leben wieder zu normalisieren. Auch Angehörige, die weiter weg sind, haben wieder den Weg nach Kaprun gefunden und kommen aufs Kitzsteinhorn Skifahren wie früher. Es ist aber nicht in allen Fällen gleich, es gibt Unterschiede in der Verarbeitung dieses Unglückes.

Standard: Wie haben Sie beide diese Katastrophe verarbeitet? Haben Sie nach dem Unfall jemals daran gedacht, das Unternehmen zu verlassen, etwas anderes zu machen?

Präauer: Die Frage hat sich nie gestellt. Ich kann mir nicht vorstellen, dass ich davonlaufe. Persönlich war für mich die Familie der einzige Rückzugspunkt, die Unterstützung durch den Partner und auch durch unsere Kinder.

Günther Brennsteiner: Ich war hauptverantwortlicher Betriebsleiter für diese Anlage, es war der schwärzeste Tag meines Lebens. Trotzdem: Ich war mir immer sicher, dass wir alles unternommen haben, um einen sicheren Betrieb gewährleisten zu können. Die Bahn war der Stolz unseres Unternehmens. Wir alle haben uns nach dem Unglück jeden Tag die Frage gestellt: Warum passiert so etwas?

Uns haben unzählige Fragen gequält. Die ersten Tage waren wie in Trance. Ich habe mich später in ein Kloster in St. Gilgen zurückgezogen, um die Vorgänge aufzuarbeiten. Mir hat aber auch die Bindung zum Unternehmen sehr geholfen. Wir beschäftigen 200 Mitarbeiter, das hat für die Region eine große Bedeutung, und wir mussten alles daran setzen, dass wir die Gletscherbahn wieder in eine gesicherte Zukunft führen.

Standard: Verspüren Sie persönlich - jenseits juristischer Fragen - ein Gefühl der Schuld?

Präauer: Wir stehen zu der Verantwortung, dass dieses Unglück bei uns passiert ist, und können nur um Verzeihung bitten. Es war für uns aber nicht vorstellbar, dass so eine Katastrophe geschehen kann. Das ist das Schuldgefühl, das man vielleicht vermutet.

Brennsteiner: Das ist meine Anlage, mit der ich mich jede Minute identifiziert habe. Selbstverständlich bin ich schuld, weil da ist das jetzt passiert. Ich bin aber froh, dass es in der Phase des Strafprozesses gelungen ist, durch unzählige Sachverständige und Spezialisten Transparenz in die Anlage und die Abläufe zu bringen. Wir haben ja gewusst, dass wir anständig gearbeitet haben, und das ist auch bestätigt worden. Obwohl unzählige Fragen, etwa nach dem Brandzeitpunkt, immer noch offenbleiben. Wenn es irgendwie vorhersehbar gewesen wäre, hätten wir alles unternommen.

Standard: Sie sind beide weiter in der Seilbahnwirtschaft tätig. Was sind die Konsequenzen aus dem Unglück von Kaprun?

Brennsteiner: Brandschutzeinrichtungen, Risikoanalysen für neue Einrichtungen, fünfjährige externe Überprüfungen, das ganze Seilbahngesetz ist neu geschrieben worden.

Standard: Wie werden Sie beide den Jahrestag, den 11. November, verbringen?

Präauer: Wir werden beide - wie in den vergangenen neun Jahren auch - bei der Gedenkfeier an der Talstation teilnehmen und werden auch mit den Angehörigen das Gespräch suchen. Am Abend werde ich den Gedenkgottesdienst besuchen und danach eine Stunde für mich alleine sein.

Brennsteiner: Für mich war es bisher auch wichtig, eine Zeit alleine zu sein. Ich werde auch heuer wieder alleine in den Tunnel gehen.

Standard: Haben Sie sich nach dem Unglück jemals die Sinnfrage gestellt? Ist es wirklich sinnvoll, täglich Menschen zu Tausenden ins Hochgebirge zu befördern?

Präauer: Es geht um mehr als nur das Befördern von Menschen. Wir sind Teil der Tourismuswirtschaft. Ich betrachte diese als Branche, die Menschen in der Freizeit angenehme Stunden bereiten soll. Da gehört das Transportieren von Menschen auf den Berg dazu. Es ist für uns eine Befriedigung zu sehen, welchen Spaß die Menschen oben im Gelände haben. Wenn man die lachenden Gesichter sieht, macht das die Arbeit sinnvoll. (Thomas Neuhold, DER STANDARD-Printausgabe, 6./7.11.2010)