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Wie weit darf eine Strafe gehen, wenn eine/r - sagen wir - einbrechen war und dafür Gefängnis ausgefasst hat? Darf diese Strafe nach der Verbüßung der Haft weitergehen - indem Der- oder Diejenige dann von sozialstaatlichen Leistungen ausgeschlossen bleibt?

Darf er oder sie dann etwa in fortgeschrittenem Alter vom Pensionsbezug ausgeschlossen bleiben, obwohl er oder sie im Häfen gearbeitet hat, in der Küche oder Wäscherei, wozu Strafgefangene von den Gefängnisverwaltungen angehalten werden? Oder sogar als Freigänger im Rahmen von Aufträgen aus der Wirtschaft, wofür er oder sie aber nur 20 Prozent des Lohnes erhält - die anderen 80 Prozent kassiert die Gefängnisverwaltung ein? Ist die Arbeitsleistung von "Häfenbrüdern" also eine Arbeitsleistung zweiter Klasse?

Mit diesen Fragen beschäftigt sich derzeit der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg. Anlass ist die Klage des 64-jährigen Österreichers Ernst Stummer, hierzulande auch "Einbrecherkönig" genannt, der über seine diesbezügliche Karriere - er hat 29 Jahre seines Lebens hinter schwedischen Gardinen verbracht - sogar ein Buch veröffentlicht hat. Seine rebellischen Ansichten - etwa, dass der Häfen abgeschafft werden müsste, weil man dort erst so richtig ins Verbrechermilieu gerate - wurden bisher meist (schein)tolerant lächelnd abgetan.

Nicht wirklich ernstgenommen wurde Stummer jahrelang auch für seine (weniger aufmüpfige als offenbar aus echtem Ungerechtigkeitsgefühl und Verzweiflung heraus entstandene) Überzeugung, dass ihm als langzeitarbeitenden Langzeitstrafgefangenen eine Pension zusteht. Zäh hat er diese Ansicht durch die österreichischen Gerichtsinstanzen getragen, bis hin zum gesamteuropäischen Menschenrechtsgericht. Dort wird jetzt unter anderem die Frage erwogen, ob Gefangenenarbeit ohne Pensionsversicherung Zwangsarbeit und damit menschenrechtswidrig ist.

Sollten die Straßburger Richter, die in dem Fall vergangene Woche eine mündliche Verhandlung abgehalten haben, in ein paar Monaten - wie sie angekündigt haben - zu diesem Schluss kommen: Das Lächeln würde zumindest jenen Justizverantwortlichen vergehen, die sich dann überlegen müssten, wo sie das Geld für die Pensionsversicherungs-beiträge aller Strafgefangenen herbekommen. Denn nach einem solchen Spruch bestünde gesetzlicher Änderungsbedarf. Wenn es zu einem solchen Spruch kommt, wie gesagt, denn noch ist die Diskussion offen.

Irene.Brickner@derStandard.at