Nächste Woche solle die rot-grüne Koalition stehen.

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Maria Vassilakou kontrollierte die Basis

Im Zuge der Koalitionsverhandlungen lernten die Wiener Grünen nicht nur ihren künftigen Regierungspartner etwas besser kennen, sondern auch ihre Chefin. Denn während Maria Vassilakou ihrer Truppe in den vergangenen Jahren viel Geduld und Verständnis entgegengebracht hatte, ließ sie in den letzten Tagen keinen Zweifel daran: Die Chefin kann auch anders. Die gebürtige Griechin will sich die Chance aufs Mitregieren von niemandem kaputtmachen lassen - schon gar nicht von den eigenen Leuten, die zu früh ausplaudern, was man mit den Roten ausgedealt hat. Und so bekam es jeder einzelne Mandatar, der sich ohne ihre Erlaubnis zu ein paar Stehsätzen über die Verhandlungen hinreißen ließ, mit ihr zu tun.

Dass die Nerven der grünen Parteichefin blankliegen, ist nicht verwunderlich. Die 41-Jährige hat einen sehr anstrengenden Wahlkampf hinter sich. Nach den internen Wickeln in zwei Bezirken setzte sie alles daran, den Schaden so gering wie möglich zu halten. Vor allem dank ihrer Performance in den TV-Konfrontationen konnte Vassilakou auch nach der Wahl noch halbwegs glänzen - jedenfalls neben VP-Chefin Christine Marek, die sich bereits als nächste Vizebürgermeisterin in Stellung gebracht und noch mehr Wähler verloren hatte. Vassilakou ist bei so gut wie allen Koalitionsgesprächen dabei, die Themen Sicherheit und Wien in Europa bespricht sie mit dem Bürgermeister persönlich.

Als Wunschressort hat sie im Wahlkampf stets Bildung oder Integration genannt. Ob die SP eines davon hergibt, ist fraglich. Mit dem emotional aufgeladenen Thema Integration als einzigem Ressort kann sich ein Juniorpartner ohnehin nur schwer profilieren. Außerdem sitzt mit Sandra Frauenberger eine Wiener Rote auf dem Posten, die sehr grüne Integrationspolitik macht.

Vassilakou steht seit 2004 an der Spitze der Wiener Grünen. Die Stadtpartei gilt von jeher als ziemlich bunte Truppe. Wirklich umgekrempelt hat die Sprachwissenschafterin die Partei nicht, konnte sich aber als unbestrittene Nummer eins etablieren. Und nachdem sie jetzt den langgehegten grünen Traum vom Mitregieren wahrmachen kann, sitzt sie noch ein bisschen fester im Sattel.

(Martina Stemmer, DER STANDARD, Printausgabe, 8.11.2010)

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Michael Häupl überzeugte seine Genossen

Wurde der Wiener Bürgermeister vor der Wahl auf die Farbvariante Rot-Grün angesprochen, hatte Michael Häupl stets eine Antwort parat: "Verwandte sollen nicht heiraten." So eng dürfte die Verwandtschaft doch nicht sein - sonst hätte sich Häupl wohl kaum auf Koalitionsverhandlungen eingelassen. "Bei gutem Wind" könnte Rot-Grün diese Woche stehen, ließ Häupl ausrichten, nach dem er die Ergebnisse der Untergruppen begutachtet hatte.

Nach dem Verlust der roten Absoluten hätten die wenigsten darauf gewettet, dass sich der Wiener SP-Chef tatsächlich auf eine Regierungszusammenarbeit mit der als chaotisch verschrienen grünen Truppe einlässt - und es schafft, seine Genossen davon zu überzeugen. Echte Seitenhiebe hatte es von Häupl im Wahlkampf nicht gegeben. Nicht einmal ignorieren war die Devise. Weder in seiner Rede beim Wahlkampfauftakt noch beim -abschluss erwähnte er die Grünen auch mit nur einem Wort.

Bei der Ankündigung, es mit Maria Vassilakous Team versuchen zu wollen, streute Häupl den Grünen dann Rosen: "Ich und wir alle denken, dass sich die Grünen im Wahlkampf als stabiler Faktor erwiesen haben - vor der Wahlzeit war das ja anders" , spielte er auf die internen Querelen an.

Häupl ist seit 16 Jahren im Amt. Länger als der gebürtige Niederösterreicher, der aus einer VP-nahen Familie kommt, war seit 1883 kein Wiener Bürgermeister an der Macht. Mit grünen Themen hatte der studierte Biologe stets zu tun. Seinem politischen Ziehvater Helmut Zilk war er als goscherter Gegner der Verbauung der Schmelz aufgefallen. Zilk holte den Wirbeltierexperten 1983 vom Naturhistorischen Museum ins Rathaus, wo dieser zunächst Umweltstadtrat wurde.

Seine letzte Legislaturperiode wird der 61-Jährige mit einer grünen Vizebürgermeisterin bestreiten. Dass Häupl die ganze Amtszeit hindurch bleibt, gilt als unwahrscheinlich. Als mögliche Nachfolger werden die Stadträte Renate Brauner, Michael Ludwig und Christian Oxonitsch gehandelt - die letzten beiden gelten als dezidierte Rot-Grün-Verbinder. Und Häupl selbst wird als Architekt der ersten rot-grünen Koalition in die heimische Politikgeschichte eingehen.

(Bettina Fernsebner-Kokert, DER STANDARD, Printausgabe, 8.11.2010)