Dort stehen bleiben, wo andere vorbeigehen. Den Blick dahin richten, wo andere nicht hinsehen. Das lesen, was andere mühsam von Häuserwänden wischen: Beim Public Walk mit Kulturwissenschaftler und Schriftsteller Thomas Northoff bekommen die sogenannten "Schmierereien" eine neue Perspektive. Eine Ausdrucksform, die tabulos und grenzenlos die Wünsche, aber auch den Hass der Menschen offenbart.

Unter dem Titel "Hinter vorgehaltener Wand" leitet Thomas Northoff (l.), Kulturwissenschafter und Schriftsteller, im Rahmen der Ausstellung "Platz da! European Public Space" einen Rundgang zu Graffiti-Spots in und um das Wiener MuseumsQuartier.

Foto: D.Neubacher/derStandard.at

An den vielen Stationen des Rundgangs befinden sich Texte an Wänden und Stadtmobiliar, deren Motivation meist nicht in Vandalismus, sondern in der Verbreitung einer Botschaft besteht.

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"Botschaften sind oft ortsabhängig", erklärt Northoff und meint damit auch den Satz "Hier drin bitte nicht schlafen, danke" auf einer der Sitzgelegenheiten im Hof des MQ.

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Bei Graffiti spricht man oft von Kommunikation von Abwesenden. "Viele der Botschaften würde man nicht von Angesicht zu Angesicht sagen", so Northoff.

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"Die Art der Auftragung ändert sich", meint Northoff. Besonders beliebt sind Graffiti, die mit Schablonen aufgetragen und vervielfacht werden, sogenannte "Stencils". Ob mit Pickerl, Stiften oder Sprühdosen, Graffiti befinden sich immer auf Stellen, die dem Aktivisten nicht gehören.  

 

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Sogenannte "Tagger" platzieren ihre Pseudonyme an so vielen Stellen wie möglich. "Ich konnte bis heute nicht herausfinden, ob wirklich eine Frau hinter diesem Graffito steckt", sagt der Kulturwissenschafter über das hier abgebildete Tag.

 

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Bei anderen tut er sich leichter: "Es gibt einen Mann der ganze Straßenzüge mit rassistischen Aussprüchen überzieht, die sogar bis zur Tötungsaufforderung gehen. An seiner Schreibweise des Buchstaben "R" erkenne ich, dass es sich immer um denselben handelt."

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Man muss sich beeilen, wenn man seine Tags platzieren will - denn Plakatierer sind oft unbarmherzig.

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Neben der Auftragungsart hat sich in den vergangenen Jahren auch die Sprache verändert. Northoff: "Die Jugendlichen haben eine neue Schriftsprache entwickelt"

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Parks und Spielplätze sind optimale Flächen für Graffiti. Hier herrsche nicht selten ein Stellvertreterkrieg zwischen rechts- und linksextremen Gruppen.

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"Graffiti sind oft mit Sexualität konnotiert", sagt Northoff, der darin auch eine Frage des Alters sieht.

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Schon an der Höhe der beschriebenen Stelle erkenne man, ob es sich um einen jungen oder erwachsenen Menschen handle, erklärt der Kulturwissenschafter.

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Man könne allerdings nicht sagen, dass Graffiti nur von Jugendlichen und jungen Erwachsenen stammen würden.

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"Vor allem während der Wahlzeit schreiben alle", so Northoff.

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Fazit: Der "Public Walk" schärft den Blick fürs Detail und gibt einen kleinen Einblick in die Welt der anonymen Kommunikation. (dan/derStandard.at)

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Zum Gesamtprogramm von "Platz da!"

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