Der Sicherheitskurs der ÖVP ist nicht aufgegangen, das hat das Ergebnis der Wiener Gemeinderatswahlen eindeutig gezeigt. Die Volkspartei machte auf scharf und versuchte Stimmen dort zu mobilisieren, wo die Mühen vergebens waren: Bei den FP-WählerInnen. Es war ein Versuch, jedoch ein schlechter. Die ÖVP kann daraus lernen und es künftig besser machen.

Nummer eins in der Wiener ÖVP bleibt Christine Marek. Die Staatssekretärin legt ihr Regierungsamt zurück, um sich ganz auf Wien zu konzentrieren. Ob dieser Schritt von ihr so gewollt war, bleibt dahingestellt. Schlussendlich wird ihr nichts anderes übrig geblieben sein, als die Suppe, die sie sich und der Wiener ÖVP eingebrockt hat, auch wieder auszulöffeln.

Ihren viel kritisierten Wandel von der liberalen zur strengen Christine Marek hat nämlich sie selbst zu verantworten. Mag schon sein, dass sie sich von Beratern überreden hat lassen, diese Rolle anzunehmen. Glaubwürdig war sie jedenfalls nie. Und sie hätte sich wehren können, schließlich ist ja sie die Chefin.

Das ist ihr jetzt hoffentlich bewusst, wenn sie die nächsten Jahre als Klubobfrau der Wiener ÖVP fungiert. Sie hat eine ganze Legislaturperiode lang Zeit, sich ihr altes Profil wieder aufzubauen: Das der liberalen Kraft innerhalb der ÖVP, die Mut zu Modernität zeigt und ein Gegengewicht zu den stark repräsentierten Bauernbündlerin innerhalb der ÖVP darstellt.

Die ÖVP ist nämlich mehr als das. Das beweisen Politiker wie Othmar Karas, der sehr erfolgreich bei der EU-Wahl abgeschnitten hat oder ein Siegfried Nagl, der in Graz den Bogen zwischen Urbanität und Tradition schafft.

Eines muss Marek allerdings bewusst sein: Ein wenig angekratzt wird ihr Image für immer bleiben. Denn glaubwürdig ist sie jetzt nicht mehr. Wer einmal seine Prinzipien über Bord geworfen hat, tut sich schwer wieder ein ehrliches Profil aufzubauen. (Rosa Winkler-Hermaden, derStandard.at, 8.11.2010)