In der Käserei riecht es nach frischer, warmer Kuhmilch - nicht jedermanns Sache in der Früh. Doch Besichtigungen, um zu sehen wie Parmigiano-Reggiano hergestellt wird, finden nun einmal am Morgen statt, weil genau dann gearbeitet wird. Die Molkereiarbeiter, die die mit Wasser vollgesogenen Käseklumpen in Tüchern aus den Kupferkesseln wuchten und zum Pressen bringen, leisten schwere körperliche Arbeit. In den Lagerhallen übernehmen dann Maschinen das Wenden der knapp 40 Kilo schweren Käselaibe, doch in der eigentlichen Fertigung geht bei Parmigiano industriell einfach nichts.

Seit der Käse etwa 1200 erstmals in Dokumenten genannt wurde, ist das Verfahren unverändert. Basis ist ein Mix aus der Abend- und Morgenmilch von mit Frischfutter versorgten Kühen, dessen Zusammensetzung auch über die Qualität der Milch ergo den Geschmack entscheidet. Bei der Verarbeitung darf nichts außer Lab und Salz beigefügt werden. Aus den Klumpen werden Laibe gepresst, die zwölf Monate und länger reifen, bis sie über Pasta gerieben werden.

Parmigiano-Reggiano und Prosciutto di Parma zählen zu jenen Welt-Lebensmitteln, die man auch am Nordpol kennt. Parma liegt im Emilia-Teil der heutigen Emilia-Romagna, die wieder die Zentrale der italienischen Lebensmittelproduktion ist. Zum Po hin nach Norden wird das Land flach, nach Westen und Süden beginnen die ersten Hügelketten des Apennin. Auf dem fruchtbaren Land gedeiht fast alles, und das Klima ist ideal, um Obst und Gemüse perfekt ausreifen zu lassen. Dazu kommen Wein, Reis und Obstplantagen mit Äpfeln und Birnen. Im Sommer kann es schon etwas heißer werden, doch die Brisen vom Mittelmeer sorgen für Abkühlung, im Winter sind dieselben Luftströme für die Erwärmung zuständig.

Die Schweine waren schon immer hier, früher wild, heute in der Zucht, ebenso Weiden für Rinder, die auch der Grund für die prominent vertretene Milchwirtschaft sind. Aus Milch entsteht Käse wie eben Parmigiano-Reggiano, dessen Abfallprodukt Molke wieder die Schweine füttert, deren Hinterhaxen zu Prosciutto di Parma werden. Über Handelsrouten, früher vor allem über Kanäle, später per Eisenbahn und Straße, wurde das alles in die Welt hinausgetragen.

Obwohl die Gegend reich an Kunstschätzen, Kulturevents und spannender Architektur aus einer stets wohlhabenden Vergangenheit ist, werden weder Parma noch die benachbarten Städte der Emilia, Reggio Emilia, Modena oder Bologna, von Touristen überlaufen. Parma ist eine sehr gediegene Stadt, deren französischer Einfluss augenfällig ist. Das Stadtzentrum mit Duomo und Baptisterium ist bezaubernd schön und das Teatro Regio übrigens berüchtigt für sein rabiates Publikum, das gnadenloser ausbuhen soll als alle anderen.

Ohne Wurstwaren fängt hier kein Essen an, danach folgt Pasta. Immerhin wurden die Tortellini bei den Nachbarn in Modena erfunden. Mit "zucca"-Füllung gilt sie als die hiesige Herbstspezialität. In der Ebene und an den Apennin-Hängen gedeiht Lambrusco, den man vor Ort zu den zarten Schinkenblättern, der würzigen Salame di Felino oder Culatello di Zibello, dem luftgetrockneten Herzstück der Schweinskeule, trinkt. Er hat nichts mit dem klebrig-süßen Sprudel zu tun, der exportiert wird und der den Ruf dieses Getränks nachhaltig beschädigt hat: Trocken, moussierend und dunkelfruchtig, passt er hervorragend zu den appetitlich drapierten Antipasti und der Pasta.

Den diversen Schinken, der Salami, dem Parmesan und dem Wein sind "Strade del ..." gewidmet. Die Menschen, die diese Lebensmittel herstellen, möchten zeigen, wo sie herkommen und wie die Produkte gemacht werden. Im Herbst werden zudem auch Festivals gefeiert. Und unter Parma Musei del Cibo sind Museen zusammengefasst, die sich mit der Historie und Herkunft von Parmigiano, Salami und Prosciutto befassen. Nur das Museo del Tomate harrt noch der Eröffnung.

Die Hinterhaxen für den Prosciutto di Parma können heute aus ganz Italien kommen. Reifen müssen sie hier, denn die Luft ist ausschlaggebend für den Geschmack. In Langhirano bringt die Brise vom etwa 60 Kilometer entfernten Mittelmeer jene Salzigkeit mit, die den Prosciutto trocknen lässt, bis er die fünf verschiedenen Gerüche aufweist, ohne die er die Prüfung zum Parmaschinken nicht bestehen würde. (Luzia Schrampf/DER STANDARD/Printausgabe/6.11.2010)