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Allein die "Abschöpfung" der Vermögenszuwächse der letzten zehn Jahre würde ausreichen, um die Staaten zu entschulden.

Österreich ist nicht zu rund 70 Prozent, sondern nur mit 21,81 Prozent verschuldet - und die Schulden von knapp 191 Milliarden Euro könnten überdies in nicht mehr als zehn Jahren zur Gänze zurückgezahlt werden. Davon ist Alexander Dill, Soziologe und Chef des Basel Institute of Commons and Economics überzeugt.

Die Maastricht-Grenze, die die Verschuldung am Bruttoinlandsprodukt (BIP) misst, sei nämlich völlig irrelevant, sagt Dill. "Die Verschuldung in Prozent des BIP zu berechnen ist kontraproduktiv, weil dann nur noch Wachstum oder drastische Einsparungen die Neuverschuldung senken könnten, aber keine Tilgungsperspektive entsteht." Entscheidend sei das Verhältnis der Schulden zu den Privatvermögen in den einzelnen Ländern.

Österreichs Schulden bloß bei 21,8 Prozent

Und so betrachtet seien die 16 Euro-Staaten bloß mit 27 Prozent der privaten Vermögen verschuldet, so die Berechnungen des Schweizer Instituts - im Gegensatz zu den 79 Prozent des BIP, die Eurostat zuletzt im Durchschnitt berechnet hat. Und dies sei überdies "erheblich weniger, als der Zuwachs der Vermögen allein von 2000 bis 2010 betrug". Mit anderen Worten: Allein die "Abschöpfung" der Vermögenszuwächse der letzten zehn Jahre würde ausreichen, um die Staaten zu entschulden.

Am Beispiel Deutschland führt Dill aus, dass 1950 noch 36 Prozent der Gesamtsteuern von Wohlhabenden und Firmen aufgebracht wurden. 2009 waren es nur noch 15 Prozent. Im Übrigen sei zu bedenken, dass die Schaffung der Vermögen erst durch die Verschuldung der Staaten ermöglicht worden sei - etwa durch hohe Beamtengehälter und -pensionen. "Es besteht deshalb ein deutlicher Zusammenhang zwischen öffentlicher Verschuldung und dem Aufbau privater Vermögen, die allein in Deutschland seit 1979 um über 900 Prozent stiegen" - und zwar inflationsbereinigt.

Für Österreich liest sich das folgendermaßen: Die Pro-Kopf-Verschuldung lag laut Eurostat zuletzt bei 22.034,60 Euro. Das Privatvermögen pro Einwohner kommt derzeit allerdings - Dill bezieht sich hier auf das "Credit Suisse Global Wealth Databook 2010" - bei umgerechnet 101.010 Euro. Das Privatvermögen sei hierzulande von 2000 bis 2010 um 42,75 Prozent gestiegen.

Für die 16 Euro-Länder erhob das Basel Institute of Commons and Economics eine Pro-Kopf-Verschuldung von 21.491,10 Euro, ein Privatvermögen von 77.215 Euro und einen Vermögenszuwachs von 66,35 Prozent.

Vermögensabgabe und Tilgungskonto

Dill bzw. sein Institut schlägt nun einerseits konventionelle Maßnahmen vor, wie die Einführung einer zeitlich begrenzten Vermögensabgabe. "Wenn es die Euro-Staaten ernst meinen mit dem Stabilitätspakt, dann müssten sie konsequent in eine Tilgung der Staatsschulden eintreten - und damit die Steuerprivilegien der Wohlhabenden einschränken", dieses Fazit zieht der Soziologe aus der volkswirtschaftlichen Berechnung der Vermögen und Staatsschulden der 16 Euro-Staaten. Die Vermögenden würden im Gegenzug von sinkenden Zinslasten und den so geschaffenen Möglichkeiten zu Steuersenkungen und Investitionen entschädigt werden, so Dill. Und außerdem: "Aktienbesitzer erleben es ja auch, dass ihre Aktie um 20 Prozent sinkt. Nichts anderes geschieht bei der Tilgung der europäischen Staatsschulden."

Andererseits könnte auch ein "Tilgungskonto" bei der Österreichischen Nationalbank (OeNB) eingerichtet werden, auf das Bürger auch kleine Beträge einzahlen können. "Dadurch wird es möglich, die Tilgung der Staatsschulden als Gemeinschaftsleistung aller Bürgerinnen und Bürger umzusetzen, nicht nur als gesetzlich beschlossene Umverteilung. Der Euro wird im Ergebnis eine einmalige Stabilität erlangen - mit positiven Wirkungen auf alle Teile der europäischen Wirtschaft", ist Dill überzeugt. Der Euro könnte damit innerhalb weniger Jahre dauerhaft stabilisiert werden - und dies ganz ohne Einsparungen in den öffentlichen Haushalten. (map, derStandard.at, 9.11.2010)