Immerhin begehren diesmal die Bauern nicht auf. Die sind ohnedies gut bedient: Mit einem Vizekanzler, der zugleich auch ÖVP-Chef und Finanzminister ist, und einem Landwirtschaftsminister als Interessenvertreter in der Bundesregierung sind die Landwirte überproportional vertreten. Jetzt will wieder der ÖAAB, und auch der Wirtschaftsbund täte gerne zum Zug kommen: bei Christine Mareks Nachfolge.

Nicht dass es ein sonderlich wichtiger Job wäre. Staatssekretärin im Wirtschaftsministerium. Aber der ÖVP-Chef sieht sich mit allerhand Begehrlichkeiten konfrontiert. Für die Nachfolge von Marek, die sich künftig der Wiener Kommunalpolitik hingeben soll, kann sich Josef Pröll nicht die bestgeeignete Person aussuchen, er muss Begehrlichkeiten befriedigen und Interessen berücksichtigen. Pröll muss die Bünde in der Volkspartei bedienen und die Länder gleich dazu.

Kein Tiroler ist in der Regierung oder hat sonst einen wichtigen Job in der ÖVP! Daraus leiten die Tiroler jetzt den Anspruch ab, jemanden zum Regieren schicken zu können. Das könnten die Wiener auch. Kein Vertreter ihrer Landesorganisation ist in der Regierung. Das mag daran liegen, dass die Wiener VP in ihrer Überschaubarkeit so unbedeutend ist, dass sie erst gar nicht berücksichtigt werden muss. Vielleicht gibt es da aber auch eine Wechselwirkung: Die Wiener ÖVP ist deshalb so am Boden, weil sie von der Bundespartei nicht ausreichend ernst genommen wurde und wird.

Marek ist da ein gutes Beispiel.

Sie wollte nicht nach Wien. Nach dem Wechsel von Johannes Hahn nach Brüssel musste sie geradezu genötigt werden, als Spitzenkandidatin in die herandräuende Wahl zu ziehen. Dann wurde der Staatssekretärin, die einmal als liberale Zukunftshoffnung galt, von neunmalklugen Parteistrategen ein gestrenges Image übergestülpt, das weder zu ihr noch zur Stadtpartei passte. Geendet hat das durchaus vorhersehbar und selbst verschuldet mit einer schmerzhaften Niederlage.

Dass Marek jetzt zur Gänze in den Wiener Gemeinderat wechseln muss, hat sie im Grunde aber nicht verdient. Sie ist für die inhaltliche und personelle Dürre in der Wiener ÖVP nicht verantwortlich. Und sie wird sie nicht beheben können, nicht unter diesen Voraussetzungen. Ihr kann man lediglich vorwerfen, was sie ohne Widerspruch mit sich hat anstellen lassen.

Jetzt tut die Tiroler Volkspartei so, als müsse sie den freien Staatssekretär nur noch unter sich ausmachen. Möglich, dass die Tiroler eine entsprechende Zusage von Pröll haben.

Genau das ist das Problem in der österreichischen Politik (nicht nur in dieser): Es geht immer um Partikularinteressen, nie um das übergeordnete Ganze. Es wird bedient und gefeilscht und aufgeteilt - egal, ob es jetzt der Sache dienlich ist oder nicht. Ganz besonders dann, wenn sogenannte Länderinteressen im Spiel sind.

Darum gibt es, zum Beispiel, auch keine Verwaltungsreform. Und wenn Pröll meint, man müsse bei diversen zur Diskussion stehenden Reformen (Schule, Spitäler) auf die Länder zugehen und auf ihre Befindlichkeiten Rücksicht nehmen, dann meint er gar nicht die Länder. Er meint deren Chefs und ihre Befindlichkeiten. Ein fataler Irrtum. Pröll verwechselt die Interessen der Menschen mit den Interessen der Landeschefs.

Möge Pröll mit einer neuen Abgesandten aus dem Westen als Staatssekretärin glücklich werden. Wenigstens ist das kein wichtiger Posten. (Michael Völker, DER STANDARD, Printausgabe, 9.11.2010)