Bild nicht mehr verfügbar.

Inspektion einer Rolls-Royce-Turbine des Typs Trent 900 an einem A380 der Singapore Airlines

Foto: REUTERS/CHRISTIAN HARTMANN

London/Sydney - Neue Hiobsbotschaften aus Australien haben am Montag den Druck auf den britischen Turbinenbauer Rolls-Royce (RR) erhöht. Weil in den Triebwerken von drei Airbus-Superjumbos Öllecks entdeckt wurden, lässt die Fluggesellschaft Qantas bis auf weiteres ihre sechs A380 auf dem Boden. Nachdem RR vergangene Woche bereits rund zehn Prozent seines Kapitalwerts von rund 10,9 Mrd. Pfund eingebüßt hatte, sank der Aktienkurs am Montag erneut um bis zu 4,7 Prozent.

Enttäuschung

Härtetests an den Triebwerken vom Typ Trent 900 hätten bisher ungelöste Probleme aufgezeigt, begründete Qantas-Chef Alan Joyce die Entscheidung seines Unternehmens. "Die Triebwerke von Rolls-Royce funktionieren nicht so, wie wir es erwarten." Das Öl sei an Stellen gefunden worden, wo es nicht hingehöre. "Neue Triebwerke in einem neuen Flugzeug sollten solche Probleme nicht haben", sagte Joyce.

Am Donnerstag hatte Qantas-Flug QF32 kurz nach dem Start in Singapur einen Triebwerksschaden erlitten, einen Tag später musste auch eine Boeing 747 der Airline wegen eines beschädigten RR-Triebwerks nach Singapur umkehren. In beiden Fällen blieben alle Insassen unverletzt.

Schweigen

Bei den im mittelenglischen Derby ansässigen Triebwerk-Konstrukteuren wird jetzt fieberhaft geprüft, wie es zu den Zwischenfällen kommen konnte. Bis auf eine elfzeilige Pressemitteilung von Donnerstag hüllt sich das Unternehmen in Schweigen: "Es wäre unangemessen, jetzt schon Schlussfolgerungen zu ziehen", heißt es darin.

Für Rolls-Royce kommt das Problem zum denkbar ungünstigsten Zeitpunkt. Erst vor sechs Wochen hatte der langjährige Vorstandschef John Rose (57) seinen Rücktritt erklärt und als Nachfolger John Rishton vom niederländischen Lebensmittelkonzern Ahold vorgestellt. In der 14-jährigen Ära des gelernten Bankers mit Psychologie-Abschluss haben die Manager der Firma mit dem legendären Namen gelernt, gelassene Selbstsicherheit auszustrahlen. "Wir müssen so langfristig denken, dass es für uns einen Unterschied zwischen Strategie und Taktik eigentlich gar nicht gibt", pflegt Rose zu sagen.

Probleme waren bekannt

Bisher galten RR-Flugzeugmotoren als weltweite Benchmark. Freilich gibt es Hinweise darauf, dass die Probleme mit dem Trent 900 schon seit längerem bekannt waren. Boeing meldete auch Schwierigkeiten mit dem Triebwerk Trent 1000, das extra für den geplanten Dreamliner 787 entwickelt wurde.

Das Unternehmen an der Victory Road (Siegerstraße) von Derby erlebt nicht die erste schwere Krise seiner Geschichte. In den 60er-Jahren des 20. Jahrhunderts machte RR schwere Zeiten durch, 1971 kam es beinahe zum Bankrott. Die damalige konservative Regierung verstaatlichte den Traditionsbetrieb. Sechzehn Jahre später kam es zur Reprivatisierung.

Seither ging es stetig bergauf, längst ist das Unternehmen auch international aufgestellt. An den deutschen Standorten Oberursel bei Frankfurt/Main sowie im brandenburgischen Dahlewitz südlich von Berlin beschäftigen die Briten knapp 3000 Mitarbeiter.

Autos bei BMW

Die legendären Firmengründer Henry Royce und Charles Rolls vereinten noch Auto- und Flugzeugmotorenbau unter einem Dach. Längst gehört der Auto-Hersteller aber zum BMW-Konzern.

Der Turbinenhersteller mit rund 38.500 Mitarbeitern weltweit ist britisch geblieben und zur erfolgreichen Weltmarke geworden - eine Ausnahme in der verarbeitenden Industrie der Insel. 44 der 50 größten Airlines der Welt lassen ihre Flugzeuge von RR-Turbinen anschieben, insgesamt zählen 600 Fluggesellschaften zur Kundschaft. (Sebastian Borger, DER STANDARD Printausgabe, 9.11.2010)