Die allgemeine Beurteilung der Arbeit der Bundesregierung geht allmählich vom Stadium der kritischen Analyse in das der offenen Schmähung über. Wenn einmal der Kardinal den koalitionären Dioskuren die Leviten liest, statt dankbar zu sein, dass ihr Steuerpaket priesterlichen Kindesmissbrauch mühelos aus der öffentlichen Diskussion verdrängt, ist es vielleicht sachlich gerechtfertigt, entbehrt inzwischen aber jeglicher Originalität, auf die Regierung einzuhacken. Es dennoch zu versuchen, ohne nur noch ermüdend zu wirken, erfordert einen immer höheren intellektuellen Einsatz, und man muss schon ein Fleischhacker sein, um das Anliegen noch mit einem Hauch von hauseigenem Esprit vorzutragen.

Darin versuchte er sich Samstag in der "Presse", als er unter dem Titel Die Selbstbanalisierung der österreichischen Politik - wieder einmal - an die Selbstbanalisierung des österreichischen Leitartikels durch zwanghafte Originalität der Ausdrucksweise als Ersatz für die Antwort auf die selbstgestellte Frage schritt: Womit haben wir das verdient?

Mit dieser, die Sphären der Metaphysik streifenden Frage schloss er seine Betrachtungen über die niederschmetternde Selbstbanalisierung der österreichischen Politik. Die soll in Folgendem bestehen: Der mit hunderten Millionen subventionierte öffentlich-rechtliche Rundfunk wird von zwei postadoleszenten Parteischnöselkindern namens Rudas und Pelinka am Nasenring geführt - banal, wenn's stimmt? -, der Regierungschef ( Kanzleroid) diskutiert mit ahnungslosen Religionsführern über eine Budgetkonsolidierung, die er gar nicht will - doch eher bußfertig als banal -, und ein ehemaliger Spitzenpolitiker, der jahrzehntelang von und mit dem österreichischen System des Beziehungsmanagements gelebt hat, mutiert zum Anführer eines Volksaufstandes - woran das Banalste in der Art besteht, wie Fleischhacker um einen Vorwurf herumformuliert, den auszuformulieren er nicht wagt. Kaum tritt einer aus dem Leben im österreichischen System des Beziehungsmanagements ein wenig heraus und mutiert zum Anführer eines Volksaufstandes passt es ihm auch wieder nicht.

Aber so oft kommt das in Österreich nicht vor, dass Banalität dafür die angemessene Charakterisierung wäre, geschweige denn Selbstbanalisierung der Politik. Und weit und breit keine Antwort auf die Frage, die - diesseits der Banalität aufgeworfen - jenseits aller Banalität unter den Nägeln brennt: Womit haben wir das verdient?

Wie fern aller Banalität ein Volksaufstand in Sachen Bildung wäre, sollte es dazu kommen, ja wie dringend notwendig, zeigt eine dramatische Bildungsbilanz, die Montag in "Österreich" gezogen wurde. Seit 10 Jahren gibt es die "Millionenshow" im ORF, niemals aber waren die Kandidaten erfolgloser als jetzt. Seit 2006 gewann niemand mehr. Und das ist noch nicht die ganze Wahrheit. Heuer wurde überhaupt erst zweimal die Millionenfrage gestellt, beide Male machten die Kandidaten in letzter Minute einen Rückzieher.

Kein Wunder, dass für viele Zuschauer die Sendung ihren Kick schon längst verloren hat. Das kommt davon, wenn zwei postadoleszente Parteischnöselkinder den ORF am Nasenring führen, denn an den Mitarbeitern kann es nicht liegen. Im Gespräch mit ÖSTERREICH weißt (sic) ORF-Unterhaltungschef Edgar Böhm jede Kritik zurück. "Nein, die Fragen werden absolut nicht schwieriger gehalten. Neben Wissen gehört aber eben auch das letzte Bisschen Risikobereitschaft dazu." Doch ohne Volksaufstand wird es nicht gehen, denn man riskiert bereits 200 Euro, wenn man nicht weiß, ob man in einem bayrischen Biergarten A: Fluchtachterl, B: Doppler, C: Maß oder D: Pfiff bestellt. Womit haben wir das verdient?

Beim Schüren eines Volksaufstandes gibt es übrigens Konkurrenz, zäh, wenn auch bildungsfern. EU will unsere Heilkräuter verbieten, erinnerte die "Krone" Montag den Kanzleroid an briefliche Zusagen. Ihre Pflanzenextrakte waren gesegnet, ihr Wissen machte Menschen gesund! Doch die uralten Heilmittel der heiligen Hildegard von Bingen (sie wirkte im Mittelalter) könnten mit einem Federstrich verschwinden. Denn die unselige EU will - offenbar im Solde der Pharmaindustrie - viele der traditionellen Kräuter der Ahnen verbieten lassen. Und zwar - wie könnte es anders sein - nach einem perfiden Plan: Wegen eines aufwändigen Zulassungsverfahren droht unserer Naturapotheke jetzt das Aus. Und womit haben wir das verdient? (Günter Traxler, DER STANDARD; Printausgabe, 9.11.2010)