Wien - Zwischen neun und neun deliriert sich ein beim Fenstersturz verunfallter Mann in Leo Perutz' gleichnamigem Roman durch eine neblige Verfolgungsjagd im düsteren Wien. Stanislaus Demba, wegen eines eher minderschweren Vergehens von der Polizei in Handschellen gelegt, hetzt durch eine unwirtliche Stadtkulisse: Wien um 1900, man stellt es sich hier dunkel, eng und schmutzig vor. Demba ist kein angenehmer Zeitgenosse. Er verstört seine Mitmenschen durch unkontrollierte Ausbrüche und wüstes Verhalten. Er bindet Frauen an sich, indem er ihnen Angst einjagt. Im Salon5, einem atmosphärischen Hinterhoftheater, spielt Martin Schwanda ihn als verschrobenen Widerling. Die Regisseurin und Hausherrin Anna Maria Krassnigg hat den Roman von Leo Perutz für die Bühne adaptiert und inszeniert:

Die niedrige Bühne ist mit schwarzen Passepartouts getrennt (Bühne: Andreas Lungenschmid). Im Hintergrund blickt man durch ein hohes Fenster (der Salon5 hat sich in einer ehemaligen Erbsenschälfabrik eingerichtet!) hinaus in den Hof, wo Herbstblätter von den Bäumen fallen, als wären sie Teil der Inszenierung.

In kurzen, punktgenau eingerichteten Szenen steigert sich die Figur Dembas in einen rasenden Verfolgungswahn: Schwanda gelingt zwischen Wahnsinn und Groteske ein rauschhaft rauschendes Solo.

Ein wenig ins Stocken gerät das Spiel nur durch den womöglich verzichtbaren Auftritt einer zweiten Figur: Emily Cox spielt eine treue Freundin des armen Demba - der in seinem Albtraum (sein nichtiges Vergehen empfindet er als tiefe Schuld, vor dem Gefängnis graut ihm, und lieber arrangiert er sich mit dem Tod!) die Augen vor der wahren Errettung und Liebe verschließt. Zwischen neun und neun - mit Visuals von Pavel Lukás und Musik von Christian Mair, ein melancholischer Abend mit großer Darstellungskraft. (Isabella Pohl, DER STANDARD - Printausgabe, 9. November 2010)