Das Ding sieht aus, als wäre es vom Krieg der Welten direkt bei der Autofirma mit dem Stern als Markenzeichen, bei Mercedes, gelandet. H. G. Wells' Science-Fiction-Klassiker in Steven Spielbergs Verfilmung, Hauptrolle Tom Cruise. Kampfmaschinen, die aussehen wie eine Art galaktischer Wasserkopf mit filigranen Beinchen dran. "Wer will als Erster?", frägt der Techniker. Da ist Furchtlosigkeit angesagt. Vielleicht der Bursche vom Standard? Aber ja, gern!

Und so sieht's also aus in dieser Maschine, die in Wahrheit ein technologisches Wunderwerk von Mercedes-Benz ist, Hauptgerätschaft des neuen Simulationszentrums in Sindelfingen, für 25 Millionen Euro hingeklotzt. 7,5 Meter Durchmesser hat der Simulator-Dom, drinnen nehmen wir Platz in einer Mercedes-Fahrkabine, zu Demozwecken testen wir den neuen CLS, erst im frühen digitalen Prototypenstadium, dann seriennah.

Die Anlage erlaubt, dank hingebungsvoller Illusionsmalerei von acht Hochleistungsprojektoren, einen Rundumblick von 360 Grad, die Aufgabe lautet: Slalom mit 70 km/h durch fast täuschend reale Landschaften ("Elchtest digital", sage noch einer, die Schwaben hätten keinen Humor), Spurwechsel auf der Autobahn mit Tempo 120, Torlauf mit 170. Schwammig fühlt sich das erst mal an, unausgegoren das Fahrwerk, indifferent die Lenkung – und siehe da, kaum wechselt das Kontrollzentrum, als Reaktion auf die Meldung: "Houston, wir haben ein Lenkungsproblem!", auf Serienstatus, schon fährt sich das wie ein echter Benz.

So einen Simulator hätte mancher gern in seiner Wohnung stehen. Gibt's aber nur einmal auf der Welt. Bei Mercedes in Sindelfingen. Schütteln und Rühren für den automobilen Fortschritt. Oder so.
Foto: Werk

Der Großsimulator hat's in sich: Bis zu ein g Querbeschleunigung ist darstellbar, den Ingenieuren zufolge ein Quantensprung gegenüber dem bisherigen Simulator in Berlin (erlaubte 0,6 g). Einspielbar sind Wind, alle Wetter, diverse Straßenbeläge bis zum Typ Wiener Kopfsteinpflaster, die jeweils zugehörigen Geräusche und und und. Bei hochdynamischen Fahrmanövern, so die Techniker mit verständlicher Mischung aus Stolz, Spieltrieb und Sendungsbewusstsein, sei die Anlage weltweit einzigartig, wir glauben's gerne.

Der Dom steht auf einem Schlitten mit je 12,5 Metern seitlichem Bewegungsraum, angetrieben von einem Linearmotor, der mit 220 kN die doppelte Antriebskraft eines ICE -Triebwagens (kühlt aber hoffentlich besser) bereitstellt. Damit möglichst wenig Energie verpufft, wird die Bremsenergie rekuperiert und gleich nebenan ins Stromnetz des Werkes eingespeist, so wie wir das im Standard mit unseren Ökoschreibtischsesseln halten. Nein, quatsch, das war nur ein Aufmerksamkeitstest, ob Sie noch konzentriert bei der Lektüre sind. In Summe ermöglicht dieses Spielzeug jedenfalls einen deutlich höheren Reifegrad für die realen Prototypen, die man dann noch viel ambitionierter testen kann als bisher schon, alles eine Kostenfrage.

Vier weitere, kleinere Simulatoren beherbergt das soeben erst eröffnete Zentrum, damit kriegt man die Welten (um im Eingangsbild zu bleiben) digitaler Entwicklung/ Erprobung komplett erfasst. Man hat zudem endlich alles an einem Ort – und in räumlicher Nähe zur Forschungs- und Entwicklungsabteilung dieser Firma, die im Jänner 125 Jahre jung wird: Damals wurde das Auto erfunden. Die Simulation einer Kutsche ohne Pferde. Wie Gottlieb Daimler schon sagte: "Das Beste oder nichts." (Andreas Stockinger/DER STANDARD/Automobil/5.11.2010)