Die Arbeitszufriedenheit sinkt rapide nach unten, wenn Chefs ihre Mitarbeiter schlecht führen. Der Mythos, dass Vorgesetzte nicht sagen wollen, dass sie irgendwo keinen Durchblick haben, sei leider meist wahr und ihnen fehle der Nebelscheinwerfer beim Navigieren, meint Lambert Gneisz. Er hat ein Tool namens "Performer" entwickelt, das die Führungsperformance misst und als eine Art Kompass fungiert. "Zu wissen wo Norden ist, ist einfacher als Schwächen öffentlich zuzugeben." So haben Führungskräfte die Chance selbst zu reagieren statt sich zu "blamieren". Mehrere Unternehmen haben Erfahrungen damit.
derStandard.at: Sie haben ein Werkzeug entwickelt, das den Erfolg von Führungsarbeit misst - wie ist die Vorgehensweise?
Gneisz: Mit wenigen Worten erklärt, bieten wir Menschen in Organisationen drei bis vier Mal im Jahr die Gelegenheit, mit zehn Fragen zu fünf Themen einfach auszudrücken wie es ihnen geht. Das dauert zwei, drei Minuten. Danach sehe ich prompt die Stimmungslandkarte in der Organisation. Zum Vergleich: In der Zeitung sehe ich jeden Tag das Wetter, Niederschlagswerte, Trends, Pollenwerte, usw. - wir denken meistens gar nicht daran, dass da tausende einzelne Messdaten dahinter stecken. Es ist eine sehr hilfreiche Reduktion von Komplexität im Alltag und genau dasselbe tun wir auch.
Es geht uns vor allem um das Thema der Unterstützung von Führungsarbeit, die Fragen decken alle performanceorientierten Fragen ab. Führungskräfte müssen sie müssen immer funktionieren und sind mit Druck von oben und Erwartungen von unten konfrontiert. Innere Kündigung, sinkende Loyalität usw. - das wird direkt oder indirekt von überforderten Chefs ausgelöst. Führungskräfte haben kaum elektronische Werkzeuge, um ihren Job besser zu machen. Positive Veränderungen im Management kann ich am besten ermöglichen, indem ich Führungserfolge rasch sichtbar mache, denn manche Türen gehen nur nach innen auf. Und da kommt der Performer zum Einsatz.
derStandard.at: Sie waren zuvor längere Zeit unselbständig tätig, bevor Sie Ihre Idee entwickelt haben. Wie sind Sie darauf gekommen?
Gneisz: Ich habe in meiner beruflichen Laufbahn alle Stationen durchlaufen, vom Angestellten über den Abteilungsleiter, zum Berater. Als Berater hat man mir eine sehr spannende Aufgabe gestellt: einem Vorstand sollte etwas schmackhaft gemacht werden um die Führungsleistung im Unternehmen zu verbessern. Der Vorstand wollte Beweise. Zum Vergleich: Der Arzt misst den Puls beim Patienten und merkt, da ist viel Spielraum zur Verbesserung da. Ich habe mich daraufhin gefragt: Gibt es so etwas auch für Organisationen?
Ich kann relativ einfach sichtbar machen, was wir gemessen haben und wo Spielraum zur Verbesserung ist. Mit demselben Instrument können wir auch den Veränderungserfolg dokumentieren. Vor zehn Jahren hat kaum jemand eine Pulsuhr gehabt, heute besitzen und nützen sie auch die Hobbysportler ganz selbstverständlich. Man hat einfach eines verstanden: wenn ich weiß wo ich stehe, und das immer wieder sehe, dann sehe ich wohin ich mich entwickle. Das heißt noch nicht, dass ich mich verändern muss, ich habe einfach mehr Sicherheit, Erkenntnisse und ein geschärftes Bewusstsein. Wenn ich dann ein Training mache, zeigt mir die Pulsuhr entweder es wirkt oder ich mache das falsche Training. Das heißt die Pulsuhr alleine hilft noch nicht, aber sie ist der erste Schritt zu wissen wo man steht und was wirksam ist.
derStandard.at: Sie haben auch viel Zeit in den Forschungsprozess gesteckt.
Gneisz: Ich habe gemeinsam mit zwei Partnern nach Studien gesucht, die die Messung von Veränderungsbedarf in Organisationen empirisch belegten. Wir haben fast ein Jahr lang sehr viel internationale Literatur gelesen und zwei langfristige Studien gefunden, die das beweisen: immer wenn man in Organisationen bestimmte Einflussfaktoren verändert, verändern sich die Business Performance Ergebnisse. Dann haben wir diesen Ursache-Wirkungs-Zusammenhang identifiziert. Wenn ich Performance haben will, was sind die Themen, an denen ich drehen will? Das ist spannend.
derStandard.at: Was ist der Unterschied zu Mitarbeiterbefragungen?
Gneisz: Eine Mitarbeiterbefragung hat meistens fünfzig, hundert Fragen ja bis zu vierhundert Fragen. Sie wird gemacht, weil es der Vorstand erwartet oder der Betriebsrat es will. Niemand rechnet aus, wie viel das kostet, dass Menschen hunderte Fragen ankreuzen und froh sind, wenn sie fertig sind. Da kann methodisch oft nur ein Unsinn heraus kommen also Ergebnisse, die einfach nicht der Realität entsprechen. Bitte, wozu das Ganze?
Kurzum: unser Vorgehensmodell ist daher ein ganz anderes. Auch die Themen unterscheiden sich: wir fragen nur nach Themen, die mit der Organisationsleistung zu tun haben, wie gut führt die Führungskraft? Und nur Dinge, die veränderbar sind und die man verändern will. Organisationsleistung heißt ja nicht nur Cash Flow, sondern auch Gesundheit, niedrige Fluktuation, gestiegene Loyalität der Leistungsträger. Kurz: Wie tun wir uns mit den Dingen leichter, die wir sowieso tun wollen beziehungsweise müssen?
derStandard.at: Zwei Minuten mit zehn Fragen - nehmen die Befragten das ernst?
Gneisz: Ich habe 2002 gestartet, sogenannte Experten haben mir damals prophezeit, zehn Fragen seien viel zu wenig um irgendwas herauszufinden. Dieselben Fragen zu stellen, ginge zweimal gut, danach werde es niemand mehr beantworten. Dann noch dazu anonym und per Internet, das klappe sowieso nicht. Ich hätte kein Geld verdient und wäre schon gar Sieger des Constantinus Beratungs- und IT Awards geworden, wenn eine einzige Annahme gestimmt hätte.
Durch die wenigen Fragen halte ich alles nahe am Thema und gleichzeitig unglaublich flexibel. Wir sammeln Daten im ersten Schritt. Das eine ist das Messen das andere das Machen - nämlich Entscheidungen treffen. Führungskräfte treffen auch vorher schon Entscheidungen aber ohne vorher zu messen, was überhaupt los ist. Weil dazu einfach oft die für den Erfolg ausschlaggebende Realität der Soft Facts, mangels objektiver Messdaten ausgeblendet wird. Das ist wie Training ohne Pulswerte: ich zahle den Trainer ohne zu wissen, was er denn verändert hat. Welchen Sinn soll das haben? Das hilft allenfalls dem Trainer.
derStandard.at: In welcher Form bekommen die Auftraggeber die Ergebnisse?
Gneisz: Die Ergebnisse sind nur ein neutraler Spiegel, der manche Dinge sichtbar macht. Ich könnte Lawinen von Zahlen schicken. Mein Motto ist aber "keep it simple and keep it accurate". Das Ampelsystem ist eine Form dem Nutzer die Ergebnisse zu visualisieren. Ich könnte auch ein Tortendiagramm machen, es ist nur eine andere Form der Darstellung. In Zukunft wird es moderne Leuchtdioden geben.
derStandard.at: Was machen denn die Firmen mit den Ergebnissen?
Gneisz: Alle Mitarbeiter erhalten die Ergebnisse. Führungskräfte erwarten, dass sie mit Problemen konfrontiert werden. Doch die Ergebnisse sind meist besser als erwartet. Den vermuteten Problemen stehen also gemessene Erfolge und eine gewisse Sicherheit gegenüber. Von zehn Ampeln sind dann sechs oder sieben grün, drei gelb und eine oder zwei rot. Gelb ist nicht schlecht, es bedeutet nur erhöhte Aufmerksamkeit. Hat eine Abteilung mehr rote Ampeln als die andere, wird es auch sportlich.
Für die Maßnahmen danach gibt es Partner. Ohne Diagnose kann auch in der Medizin nicht behandelt werden. Es geht um die Früherkennung. In dem Moment wo ich das sichtbar mache, wissen die Leute sehr schnell aus eigener Kraft wie sie reagieren können. Die Autonomie der Organisation von Beratern ist das Ziel.
derStandard.at: Was sind die häufigsten Führungsprobleme, die auftauchen?
Gneisz: Meist sind die Ampeln, die zuerst gelb werden, jene mit der Frage nach der Führungsleistung. Es hängt aber sehr damit zusammen in welcher Phase so eine Organisation ist. Ist das eine Bank im ersten Bezirk, - dann habe ich ganz andere Stärken und Schwächen als bei einem Produktionsbetrieb in Oberösterreich. Oder ist es ein ganz junges Unternehmen, wo sich alle die Ärmel aufkrempeln?
Zu uns kommen allerdings meist die Organisationen, die Erreichtes absichern und auch besser werden wollen. Andere sagen, solange wir den Baum nicht dreimal mit dem Auto angefahren haben, ändern wir den Kurs nicht. Das passiert, weil Führungskräften der Nebelscheinwerfer fehlt. Durch unsere Führungsimpulse sehen sie ein bisschen mehr, können früher lenken, haben letztlich mehr Sicherheit. Den Nebel können wir nicht wegmachen, aber dennoch zeigen wie der Stand der Dinge ist.
derStandard.at: Ist Kostensenkung ein wichtiges Ziel?
Gneisz: Die Assoziation Kosten einzusparen kommt selten. Ziel ist es die Organisationsleistung nicht nur einmalig zu steigern. Dass dabei weniger Fehler und Kosten auftreten, sind angenehme Nebeneffekte. Die meisten Firmen wollen eher besser werden, wachsen, sich entwickeln. Es geht um die Themen Reaktionsgeschwindigkeit, Lean Management, Leadership. Wenn ich schneller als meine Mitbewerber sehe, wo ich besser werden kann, ist das herrlich.(Marietta Türk, derStandard.at, 16.11.2010)