Kein Zeitenwechsel hat die Geschichte der Menschheit ähnlich fundamental beeinflusst wie die sogenannte Neolithische Revolution. Der kulturelle Wandel von der sammelnden zur produzierenden Wirtschaftsweise und Sesshaftigkeit vollzog sich vor etwa 11.000 Jahren im Vorderen Orient und erreichte vor etwa 7.500 Jahren mit der bedeutendsten neolithischen Kultur, der Linearbandkeramischen Kultur (LBK), Mitteleuropa.

Ideentransfer oder Infiltration

In kontroversen Hypothesen wird seit Langem die Verbreitung der bäuerlichen Lebensweise aus dem Fruchtbaren Halbmond nach Europa zu erklären versucht: durch Ideentransfer und Akkulturation oder aber durch unterschiedliche Formen von Infiltration fremder Bevölkerungsgruppen nach Mitteleuropa.

Als "neolithic package" importierten die Immigranten vor 7.500 bis 4.100 Jahren nicht nur neue Arten, wie zum Beispiel (Haus-)Rinder, und Kulturpflanzen wie Einkorn. Sie hinterließen durch Vermischung mit der hiesigen Bevölkerung zudem auch Spuren im Genpool Mitteleuropas. Diese sind in Form von sogenannten allochthonen DNA-Markern (mtDNA- und Y-Chromosom-Lineages) bis heute nachweisbar. Ein internationales Forscherteam untersuche die Struktur und Dynamik populationsgenetisch wirksamer Prozesse während der Jungsteinzeit in Mitteldeutschland.

Genetische Parallelen zum Nahen Osten

Die Studie wertete Proben alter DNA (aDNA) einer Bestattungsgemeinschaft der frühneolithischen Fundstelle Derenburg-Meeresstieg II im Mittelelbe-Saale-Gebiet aus. Herausragendes Ergebnis der Studie ist der erstmalige molekulargenetische Nachweis, wonach das genetische Profil der frühen neolithischen Siedler aus Derenburg große Ähnlichkeit mit heute lebenden Populationen im Nahen Osten aufweist. Das bedeutet, dass zumindest in diesem Fall die ersten Bauern nach Mitteleuropa eingewandert sind und nicht die vorher hier ansässigen Jäger- und Sammlerpopulationen lediglich eine bäuerliche Lebensweise übernommen haben.

Die genetischen Signaturen erhärten auch Hinweise auf den Verlauf der Einwanderungsroute über Südosteuropa und das Karpatenbecken bis nach Mitteleuropa. Auf der Grundlage der gewonnenen Informationen lassen sich Besiedlungsvorgänge rekonstruieren, die maßgeblich die frühe europäische Geschichte mitbestimmt haben.

Die größte ökonomische Umwälzung in der Menschheitsgeschichte - die Neolithische Revolution - hat ihren Ursprung in einer Region, die vermutlich die Heimat aller Europäer bildet und wurde in Migrationswellen nach außen getragen. Diese Erkenntnis kommt für die traditionelle Vorgeschichtsforschung nicht unerwartet; die naturwissenschaftlichen Belege dafür wurden in Kooperation zwischen Archäologie und Anthropologie allerdings gerade erst gewonnen. Die Ergebnisse der Studie in der Fachzeitschrift PLoS Biology veröffentlicht. (red)