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Neulich in Spanien: Zygmunt Bauman (rechts) nimmt mit Kollege Alain Touraine den Prinz-von-Asturien-Preis entgegen.

Foto: Paco Paredes/AP/dapd

"Diaspora" heißt die von Isolde Charim kuratierte Reihe im Bruno-Kreisky-Forum, in deren Rahmen Zygmunt Bauman am Montag referierte. Kaum ein anderer der großen Denker der Gegenwart hat sich mit diesen Themen des Exils, des Fremdseins, aber auch mit den verheerenden Auswirkungen totalitärer Systeme so intensiv beschäftigt wie Zygmunt Bauman. Und kaum ein anderer hat sie so unmittelbar erlebt wie der Soziologe, der nächste Woche in Polen seinen 85. Geburtstag feiert.

Zweimal in seinem langen Leben musste Bauman aus seiner Heimat emigrieren, beide Male wegen antisemitischer Verfolgung in einem totalitären System: Das erste Mal floh er mit seinen Eltern 1939 vor den Nazis in die Sowjetunion; seine im Vorjahr verstorbene Frau Janina war eine Überlebende des Warschauer Ghettos.

1968 verlor er dann nach einer antisemitischen Kampagne seinen Job an der Uni Warschau und wanderte mit seiner Familie über einen kurzen Zwischenaufenthalt in Österreich nach Israel aus, eher er 1971 Professor an der Uni Leeds wurde.

Im britischen Exil wurde Bauman zu einem der am öftesten zitierten Soziologen der Gegenwart. Viele seiner wichtigsten Werke erschienen erst rund um seine Emeritierung 1990 oder danach, wie etwa seine vielbeachtete Holocaust-Studie Moderne und Ambivalenz.

2007 wurde Bauman wurde von einer rechten polnischen Zeitschrift aber auch vorgeworfen, während des Zweiten Weltkriegs selbst Kommunist gewesen zu sein und mit 19 dem militärischen Geheimdienst beigetreten zu sein. Bauman sah dies retrospektiv als Fehler - auch wenn dies bloß ein langweiliger Schreibtischjob gewesen sei und er sich nicht daran erinnern könne, je jemanden informiert zu haben.

Die Liste der Denker, auf die sich der unkonventionelle Linke bezieht, ist lang und reicht von Georg Simmel über Antonio Gramsci bis Theodor W. Adorno, von Emmanuel Levinas über Hannah Arendt bis Jacques Derrida. Noch größer ist seine thematische Spannbreite, die neben den genannten Themen auch noch Werke über Globalisierung, Ethik, Konsumismus oder Liebe umfasst.

Die weit mehr als 50 Bücher, die Bauman darüber geschrieben hat, haben ihm so ziemlich alle wichtigen Soziologiepreise eingetragen, die in Europa vergeben werden: 1989 erhielt er den Amalfi-Preis, 1998 den Theodor-W.-Adorno-Preis. Und erst Ende Oktober nahm er gemeinsam mit seinem französischen Kollegen Alain Touraine den renommierten Prinz-von-Asturien-Preis in der Kategorie Humanwissenschaften entgegen. (tasch/DER STANDARD, Printausgabe, 10.11.2010)