Karussel-Methode bei den Wahlfälschungen: Ein Bus mit Wählern wird von Wahllokal zu Wahllokal gefahren, die Wähler geben gleich mehrmals ihre Stimme für die Regierungspartei ab. Grafik: www.contact.az

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Diplomatie ist ein elendes Geschäft. Man sagt Dinge, von denen man genau weiß, sie verhalten sich ganz anders, beschreibt etwas als angenehm blau, was eigentlich gackerl-gelb ist und setzt dazu ein freundliches Gesicht auf. Denn der Diplomat, sofern er noch nicht völlig ausgebrannt ist oder Bodenhaftung eingebüßt hat, glaubt an die Wandlungsfähigkeit der Welt und die Kraft der Worte, werden sie nur oft genug wiederholt: Blau ist doch viel besser als gelb, halb blau, oder sagen wir halt grün, könnte auch schon als blau durchgehen, wenn es sein muss, machen wir doch einen blauen Plan, es eilt ja nicht, Richtung blau ist praktisch schon so gut wie blau. In Aserbaidschan, am östlichen Rand des politischen Europas, müssen westliche Diplomaten besonders viel reden. Sie tun das dort auch besonders ergebnislos, wenn es um Wahlen oder andere politische Freiheiten geht. Man redet sozusagen ins Blaue.

Die jüngsten Parlamentswahlen waren allerdings so schlecht, dass auch diplomatische Sprachkünstler nachbessern mussten. "Nicht bedeutungsvoll" lautet das Urteil, das im vorläufigen Bericht der Wahlbeobachter in der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) steht und das von EU-Außenministerin Catherine Ashton übernommen wurde: "Der Verlauf dieser Wahlen war alles in allem nicht ausreichend, um einen bedeutungsvollen Fortschritt in der demokratischen Entwicklung des Landes darzustellen."

Gemessen an früheren Wahlberichten ist das eine Revolution. Es spiegelt die Frustration der EU und der USA mit dem aserbaidschanischen Regime wieder. Fünf Jahre zuvor waren die Wahlen kein bisschen fairer, doch die innenpolitische Situation war etwas vage. Die Parlamentswahlen vom November 2005 hatten viele internationalen Beobachter ratlos gelassen. Staatspräsident Ilham Alijew hatte sich damals für saubere Wahlen verbürgt und allen Strafen angedroht, die sich nicht daran hielten. Trotzdem waren die Wahlen plump gefälscht worden: Legale Beobachter anderer Parteien wurden aus den Wahlbüros geprügelt, Wahlkommissionen in der Wahlnacht im Büro kurzerhand eingesperrt, wenn das Ergebnis nicht im Sinne der Regierungspartei war, die Liste mit den Stimmen wurde ihnen abgenommen und anderer Stelle korrigiert.

Hatte der Staatschef seine Behörden nicht im Griff? Gab es übereifrige Beamte, die für die Regierungspartei und deren Satellitenparteien einen besonders hohen Sieg fabrizieren wollten? Noch kurz vor der Wahl hatte Alijew seinen Wirtschaftsminister ins Gefängnis werfen lassen; es roch ein wenig nach Umsturzplänen, das Regime war vielleicht verunsichert. Ein nur mäßiges Wahlergebnis hätte den Präsidenten in den Augen seiner Gefolgsleute schlecht aussehen lassen.

Doch spätestens nach der Wahl vom vergangenen Sonntag ist klar: Alijews Regime und der Präsident selbst haben nicht das geringste Interesse an demokratischen Spielregeln. Aserbaidschans Mitgliedschaft im Europarat und das Partnerschaftsabkommen mit der Europäischen Union, die alle beide eine ganze Reihe verbindlicher demokratischer Standards festlegen, sind weitgehend hohle Rechtsverträge. Die Entwicklung einer solide verankerten Autokratie am Rand Europas haben sie nicht stören können.

Das diplomatische Gewerbe, das notgedrungen flexibel ist, hat dafür in Baku im Lauf der Jahre "meaningful" und "meaningful" unterscheiden gelernt: Das Geld, das man in Aserbaidschan mit Öl und Gas machen kann, die strategische Bedeutung einer Pipeline nach Europa außerhalb des russischen Zugriffs, die militärisch interessante Nachbarschaft zum Iran, die Nähe zu Afghanistan - alles außerordentlich bedeutungsvoll. Der Weg der früheren Sowjetrepublik Aserbaidschan in eine demokratische Gesellschaft - nicht weniger bedeutungsvoll. Rein theoretisch betrachtet.