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"Man hat uns an den Toren der EU für 50 Jahre warten lassen"

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Ankara/Berlin - Der türkische Ministerpräsident Tayyip Erdogan hat das Verhalten der Europäischen Union bei den Beitrittsverhandlungen scharf kritisiert. "Man hat uns an den Toren der EU für 50 Jahre warten lassen", sagte Erdogan in einem Interview mit der Nachrichtenagentur Reuters am Dienstag. Die Türkei warte immer noch und sei nicht über den Verhandlungsprozess hinaus. Die Bevölkerung bringe dies auf. Erdogan übte zudem Kritik daran, dass seit Beginn der Aufnahmeverhandlungen vor fünf Jahren die Regeln geändert worden seien. Im Vergleich zu anderen Kandidaten werde die Türkei diskriminiert.

Wenn sich die Beziehungen zwischen der Türkei und Zypern normalisierten, könnten die Gespräche wieder Fahrt aufnehmen, hatte die EU-Kommission zuvor in ihrem Jahresbericht über die Beitrittsbemühungen der Türkei und acht weiterer Länder berichtet. Wegen des Streits über das seit 1974 von der Türkei besetzte Nordzypern und die Abneigung gegen eine Aufnahme der Türkei vor allem Frankreichs und Deutschlands sind die Gespräche fast zum Erliegen gekommen. Erdogan bot in dem Gespräch mit Reuters erneut an, die türkischen Häfen und Flughäfen für den griechischen Südteil der Insel Zypern zu öffnen, wenn die EU ihr Embargo für den türkischen Nordteil aufhebe.

Zypern gehört seit 2004 zur EU. Wegen des Teilung findet das Regelwerk der Union im türkisch besetzten Norden aber keine Anwendung. Die "Türkische Republik Nordzypern" (KKTC) wird nur von Ankara anerkannt.

Der deutsche Europaabgeordnete Manfred Weber (CSU) forderte unterdessen ein Ende der Brüsseler Verhandlungen mit der Türkei über einen EU-Beitritt. Nach der Vorlage des Fortschrittsberichts von Erweiterungskommissar Stefan Füle sagte der stellvertretende EVP-Fraktionschef der "Passauer Neuen Presse" (Mittwoch-Ausgabe): "Aushöhlung der Pressefreiheit, Defizite im Rechtsstaat, Vertragsverletzungen in Sachen Zypern und über 16 000 anhängige Klagen vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte wegen Grundrechtsverletzungen und Unterdrückung von Minderheiten - das alles spricht für sich." Deshalb forderte der niederbayerische CSU-Chef: "Jetzt wäre der Zeitpunkt gekommen, der Wahrheit ins Auge zu blicken, die Verhandlungen abzubrechen und eine privilegierte Partnerschaft aufzubauen." (APA)