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Wissenschafter glauben, dass eine Zweitsprache dem Gehirn spezielle Fähigkeiten zur Kompensation verleiht, die typische Alzheimer-Anzeichen zurückhält.

Foto: APA/BARBARA GINDL

Toronto/München/Wien - Wer zwei Sprachen gleichzeitig spricht, verschiebt damit den möglichen Beginn von Alzheimer und dessen Symptomen nach hinten. Das berichten kanadische Forscher in der Fachzeitschrift "Neurology". "Zwar schützt Zweisprachigkeit nicht vor Demenz im Alter, sie erhöht jedoch die kognitiven Reserven des Gehirns. Dadurch wird der Ausbruch der Krankheit deutlich hinausgezögert", sagt Studienleiter Fergus Craik vom Rotman Research Institute.

Die Forscher analysierten die Befunde von 200 Alzheimerpatienten, die teils ein- und teils mehrsprachig aufgewachsen waren. Außer in diesem Merkmal unterschieden sich die Gruppen statistisch etwa in den kognitiven Fähigkeiten, in ihren Berufen, in der Migrationsvergangenheit oder in der Geschlechtszugehörigkeit nicht. Allerdings hatte Alzheimer bei denen, die über viele Jahre zwei Sprachen gesprochen hatten, um 4,3 Jahre später begonnen als bei den Einsprachigen. Zu typischen Symptomen kam es sogar erst fünf Jahre später.

Gehirn kompensiert besser

Die Wissenschafter glauben, dass eine Zweitsprache dem Gehirn spezielle Fähigkeiten zur Kompensation verleiht, die typische Alzheimer-Anzeichen wie Gedächtnisverlust, Verwirrung oder Schwierigkeiten mit dem Problemlösen und Planen zurückhält. Sprachen könnten deshalb neben Lebensstil-Faktoren wie regelmäßiges Herz-Kreislauf-Training oder gesunde Ernährung dabei helfen, mit dem Rückgang der Gehirnfähigkeiten im Alter oder durch Krankheiten besser zurechtzukommen.

Gehirn in Schwung halten

Ob konkret die Zweitsprache dafür den Ausschlag gibt, stellt der Münchner Alzheimer-Forscher Alexander Kurz allerdings in Frage. "Vielleicht genießen Menschen mit zwei Sprachen auch bloß eine längere Ausbildung. Denn bisher ist nur erwiesen, dass Menschen mit langer Bildungszeit seltener von Alzheimer betroffen sind." Hoffnungen gebe es viele, dass eine höhere Widerstandsfähigkeit des Gehirns durch Training nachgewiesen werde. "Im Experiment kann man das jedoch aus ethischen Gründen nicht zeigen", so der Experte von der deutschen Alzheimer-Gesellschaft.

"Alles, was das Gehirn in Schwung hält, verzögert Alzheimer", betont die Wiener Neurologin und Psychiaterin Margot Schmitz. Dies könne auf Ebene der kognitiven Beschäftigung ebenso geschehen wie durch Ernährung, Bewegung und Schlaf. Eine zweite Sprache zu verstehen und zu sprechen rege das Gehirn auch aufgrund der Möglichkeit an, andere Kulturen bewusster zu erleben. "Ähnlich braucht ein Musiker beim Musikhören doppelt so viel Gehirn wie ein Nicht-Musiker, da er die Klänge weit intensiver wahrnimmt." (pte)